Caroline hatte
ihren zehn Jahre älteren ersten Ehemann, den Berg- und Stadtmedicus Johann Franz Wilhelm Böhmer
(1754-1788), einen ehemaligen Nachbarsohn aus Göttingen, mit dem sie
seit 1784 verheiratet gewesen war, nach nicht
einmal vier Jahren Ehe verloren (gest. 4.2.1788) - wahrscheinlich
erlag einer einer Fleckfiebererkrankung.
Sie war mit 24 Jahren
Witwe, hatte zwei Kinder und war mit dem dritten schwanger, als sie
von Clausthal, wo sie die Ehejahre mit Wilhelm Böhmer verbracht
hatte, nach Göttingen, in ihre Heimatstadt ins elterliche Haus
zurückkehrte,
Caroline wurde
zugetragen, dass sich August Wilhelm
Schlegel, zu dieser Zeit noch Student, für sie interessierte. Da es
ihr aber in dieser Zeit wegen der dauernden Quereleien mit ihrer
Mutter vor allem darum ging, wieder aus dem Elternhaus wegzukommen
und mit ihrer Tochter in finanziell gesicherten Verhältnissen zu
leben, zeigte an den ihr zugetragenen
Avancen Schlegels kein Interesse. Dennoch: Der so Abgewiesene
scheint dies recht gut verarbeitet zu haben und zeigte bei seinem
weiteren Werben um Caroline eine erstaunliche Ausdauer.
Stattdessen
hatte sie ihr Herz dem vom englischen König mäßig besoldeten
Legationssekretär »Georg Ernst Tatter
(1757-1805) zugewendet, der im Vergleich zur "ewig Vernünftigen,
Mäßigende(n)" Caroline, "die für alle Verantwortung mit übernahm" (Appel
2013, S.58) ein eher unentschlossener, verzagter und fast
ängstlicher Typ war (vgl.
ebd.,
S.59). So wundert es am Ende nicht, dass er vor einer Hochzeit mit
ihr zurückschreckte. Zudem erkannte wohl auch Caroline, dass Tatter
als Hofmeister, in einem Beruf, der in heute hierhin morgen dorthin
führen würde, dazu "mit vagen Aussichten und ohne annähernd festen
Ausgangspunkt oder ein planbares Einkommen" (ebd.,
S.66) ihre Familie nicht hätte ernähren können. Bevor die Beziehung
auseinanderging und Caroline vielleicht in einer Art "Flucht nach
vorn" (ebd.)mit
ihren beiden Töchtern zu ihrem Bruder nach Marburg zog, hatte Tatter
noch die Geburt und den frühzeitigen Tod des kleinen Wilhelm
miterlebt, dem Caroline im Juli gerade erst das Leben geschenkt
hatte.
Auch »Friedrich
Ludwig Wilhelm Meyer (1759-1840), der seit 1776 in Göttingen
lebte, hatte den jungen Göttinger »Universitätsmamsellen,
den gebildeten Töchtern angesehener Göttinger Professoren, früher
schon einer nach der anderen, darunter auch den Schwestern Carolines
das Herz gebrochen, konnte sich aber sein Lebtag nicht zu einem
Heiratsantrag aufraffen. f
Dabei war für Caroline, die auch von August
Wilhelms Bruder Friedrich umworben worden war, die "Freundschaftsehe
mit Schlegel [...] wohl auch so etwas wie Selbstschutz" (Appel
2013, S.132).
Es war ein
Arrangement, das in in den Vorstellungen dieser Zeit ihre
bürgerliche "Ehre" wiederherstellte. Nach dem Tode ihres Ehemanns
war sie mit ihrer Tochter Auguste in das revolutionäre Main gezogen.
Während der kurzen Zeit der ▪
Mainzer Republik (Oktober 1792-Juli 1793) hatte sie eine Affäre
mit dem 19-jährigen französischen Leutnant Jean-Baptiste des Crancé,
von dem sie schwanger wurde und kam dadurch sowohl gesellschaftlich
wie auch finanziell nach dem Ende der ersten Republik auf deutschem
Boden in eine äußerst schwierige Lage. Überall wo sie sich als
unehelich schwangere Frau auch hinbegab, wurde sie von der
bürgerlichen Gesellschaft geschnitten und verachtet. Um überhaupt
wieder Fuß fassen zu können, gab sie ihren kleinen Sohn, das
"Franzosenkind" nach seiner Geburt Pflegeeltern, bei denen der
Kleine aber schon bald verstarb.
Die Ehe mit Schlegel jedenfalls eröffnete ihr
wieder einen gewissen bürgerlich-gesellschaftlichen Rahmen, den sie
nach ihrer Mainzer Zeit als unehelich Schwangere von der
bürgerlichen Gesellschaft geschnitten und verachtet, lange hatte
leidvoll vermissen müssen. Sieht man von bestimmten Leuten, die ihr
die Sympathien für die deutschen Jakobiner weiter nachtrugen, und ▪
Intimfeinden wie den Schillers
ab, fand sie jedenfalls an der
Seite ihres neuen Ehemanns wieder Luft zum Atmen. Und dieser fand in
der gebildeten Frau an seiner Seite, die "kongeniale Koautorin" (Roßbeck
2009, S.128), die er für seine werknahe Shakespeare-Übersetzung
unbedingt brauchte.
Die Ehe mit
Schlegel war von wechselseitiger Toleranz und dem Gewähren von
Freiheiten gekennzeichnet, was aber nicht verhindern konnte, dass
sie sechs Jahre später schon wieder geschieden wurde. August Wilhelm
"liebelte seit Beginn seiner Ehe anderweitig herum", schwärmte für
schöne Berliner Schauspielerinnen wie »Friederike
Unzelmann (1760-1815) und verliebte sich 1799 in "eine andere
Schöne der Berliner Gesellschaft, die geschiedene Elisa de Nuys".(ebd.,
S.215) Die 29-jährige frisch geschiedene Bremerin hatte es Schlegel
so angetan, dass er ihr in einem Brief von den "Süßigkeiten eines
Umgangs in wenigen Tagen" schwärmt. (zit. n.
Kleßmann
1975, S.197). Caroline jedenfalls scheint diese Affäre ihres
Mannes näher als seine sonstigen "Bettschätze" (ebd.)
gegangen zu sein.
So hatte August
Wilhelm auch kein wirkliches Problem damit, als sich eine Beziehung
zwischen Caroline und dem neuen 23-jährigen und damit, zwölf Jahre
jüngeren "Superstar" der Jenaer Universität, »Friedrich
Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854), entwickelte, der 1798 auf
Vermittlung Goethes als außerordentlicher Professor in Jena mit
seiner Lehrtätigkeit begonnen hatte und seitdem eigentlich ständig
bei den Schlegels zu Gast war.
So war es auch
nicht weiter verwunderlich, dass die Ehe der "beiden Ehefreunde" (Appel
2013, S.241) Caroline und August Schlegel mit Unterstützung
Goethes, der sich beim Herzog von Sachsen-Weimar dafür einsetzte,
schon nach sechs Jahren im Jahr 1803 wieder geschieden und Caroline
im gleichen Jahr Schelling heiratete.
In dem von allen
Schlegels bewohnten Haus in der Jenaer Leutragasse gaben sich
alle, die zum Kreis der Romantiker zählten, die Klinke in die Hand.
»Novalis
(1772-1801) (= Georg Philipp Friedrich von Hardenberg), »Ludwig
Tieck (1773-1835), »Wilhelm
Heinrich Wackenroder (1773-1798), »August
Wilhelm Schlegel (1767-1845) und »Friedrich
Schlegel (1772-1829) sowie die Philosophen »Friedrich
Schleiermacher (1768-1834), »Johann
Gottlieb Fichte (1762-1814), »Friedrich
Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) und der Naturphilosoph »Johann
Wilhelm Ritter (1776-1810) waren dort regelmäßig zu Besuch, täglich
kamen bis zu 18 Mittagsgäste, um miteinander gesellig zu "»Symphilosophieren«
[...] um zu reden, zu scherzen und zu streiten, einheimische und
auswärtige Gäste kamen hinzu." (ebd.,
S.54) An den Abenden trugen sich die Anwesenden eigene und fremde Werke
vor, man fachsimpelte über die Calderón- und Shakespeare
Übersetzungen August Wilhelms, sprach über dies und jenes, was
literarische gerade angesagt war, auch allerlei Jenaer Klatsch kam
dabei wohl zur Sprache, beschäftigte sich aber auch ausgiebig mit
den Gegnern der eigenen Überzeugungen.
Schon Ende des Jahres 1799 neigte sich die Zeit der Jenaer
Frühromantik mit ihrer typischen Gruppenbildung dem Ende zu und ihre
wichtigsten Vertreter verließen die Stadt. Friedrich Schlegel
pendelte ab dem Jahresende zwischen Berlin und Jena hin und her, ehe
er 1802 nach Paris zog. Und sein älterer Bruder August Wilhelm
verlegte seinen Wohnsitz nach seiner Entfremdung von seiner Frau
Caroline nach Berlin, wo er - Berlin hatte zu diesem Zeitpunkt
noch keine Universität – von 1801 bis 1804 öffentliche Vorlesungen -
es waren sogar Frauen zugelassen! – vor einem nichtakademischen,
bildungswilligen und zugleich zahlungskräftigen Hörerkreis hielt,
das sich für neues Wissen und aktuelle Themen interessierte.
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
30.12.2021