Wer im 'Dritten Reich' schuldig geworden ist, indem er Unrecht getan
hat oder hat geschehen lassen, bleibt schuldig – wer sollte ihm vergeben
und die Schuld von ihm genommen haben? Vergeben können nur die Opfer, und
wenn die Opfer tot sind, kann niemand die Schuld von den Tätern nehmen.
Auch die Generation der Kinder bleibt schuldig, soweit sie dadurch
schuldig geworden ist, dass sie mit der Generation der Väter nicht
gebrochen hat. Die Liebe der Kinder zu ihren Eltern, die Verehrung der
Lehrer, Meister, Pfarrer, Professoren, Vorgesetzten und Chefs, das Lernen
von ihnen, die Dankbarkeit ihnen gegenüber und die Verbundenheit mit ihnen
verstricken in deren Schuld. Für die Enkel, die ihren Großeltern kaum noch
persönlich begegnen, gibt es auch die Verstrickung in deren Schuld kaum
noch, und die Urenkel sind von ihr frei. Was dann noch bleibt. Ist nicht
mehr Schuld. Geschuldet bleiben aber die Erinnerung an die Opfer, der
Respekt ihnen gegenüber und der Takt gegenüber ihren Nachfahren.