Meyer, um dessen
Bekanntschaft sich offenbar viele rissen, gehörte jedoch offenkundig
nur "sich selbst und der Welt" (ebd.,
S.61), sein Leben in einer Art "Vogelfreiheit" (ebd.,
S.63) machte auf Caroline offenbar mächtig Eindruck. Irgendwie
schien er sein Leben abseits des sonst üblichen bürgerlichen
Strebens nach Sicherheit zu führen. Gut möglich, dass sein Beispiel
und die Tatsache, dass sie nunmehr wieder allein für sich und ihre
Töchter Verantwortung zu tragen hatte, auch bei Caroline neue
Energien freisetzte und sie daher den Umzug nach Göttingen ohne
größeren Herzschmerz in Angriff nehmen konnte.
So verließ Caroline sie
im April 1788
Göttingen wieder und zog mit ihren beiden Töchtern zu ihrem älteren
Bruder Fritz, der in Marburg Oberhofrat, landgräflicher Leibarzt und an
der Marburger Universität Inhaber des Lehrstuhl für Anatomie
geworden war. Dort führte sie dem "wichtigtuerischen, cholerischen
Hagestolz" (Roßbeck
2009, S.71), dem "freie Meinungsäußerungen aus Frauenmund" (ebd.,
S.72) ebenso ein Gräuel waren wie alle "weibliche(n)
Unabhängigkeitsgelüste" (ebd.),
den Haushalt.
Caroline lebte sich in Marburg ganz gut ein, hatte
zahlreiche Kontakte und Verehrer. Doch nach dem Tod ihrer gerade
einmal etwas mehr als zweieinhalbjährigen Tochter Röschen am 17.
Dezember 1787 ließ sie offenbar keinen davon näher an sich heran.
Und auch der briefliche Kontakt zu Meyer, den Caroline weiter
aufrechterhielt, kam beinahe zum Erliegen. Dieser war nämlich "ohne geregeltes Einkommen
und ohne feste Adresse noch immer in Italien unterwegs" (Roßbeck
2009, S.75) und hatte auf die Briefe, die im Caroline schrieb
und die ihn wohl stets über Mittelsmänner erreichten, nicht
geantwortet.
Zudem hatte ja auch Carolines "Freundfeindin" (Roßbeck
2009, S.76), »Therese
Heyne (1764-1829), wie Caroline auch eine der Göttinger
Professorentöchter, die als »Universitätsmamsellen
bezeichnet wurden und seit 1785 mit
Georg Forster (1754-1794) verheiratet, ein Auge auf Meyer
geworfen und zwischen ihrer Verlobung und ihrer Hochzeit mit Forster
eine heiße Liebesaffäre mit ihm gehabt. Alles klare Signale für
Caroline, die "für Meyers Ausstrahlung nicht unempfänglich" (Kleßmann
1975, S.62) war, von Meyer jedenfalls nicht mehr als
freundschaftliche Zuneigung anzustreben.
August Wilhelm Schlegel jedenfalls
schien von den Zurückweisungen, die er durch Caroline in dieser Zeit
erfuhr, nicht sehr beeindruckt gewesen zu sein und hielt an seiner
Verehrung Carolines in seinen Briefen an Caroline fest, so dass
diese 1789 ihrer Schwester brieflich mitteilte: "Le mal est fait! Er
schrieb mir dreimal, und wie!" (zit. n.
Roßbeck
2009, S.75) Mehr als ein brieflicher Kontakt, bei dem Schlegel
immer wieder sein Interesse an Caroline ausdrückte, spielte sich
aber zwischen den beiden nicht ab. Immerhin aus Sicht Schlegels: Während seiner Amsterdamer Zeit "als hervorragend
bezahlter Hauslehrer eines Bankiersohns" (ebd.)
schrieben sich beide öfters, und das mit "zunehmender
Intensität". (ebd.)
Caroline kam im
Herbst 1791 nach einem Besuch bei ihrer Jugendfreundin aus
Mädchenpensionatszeiten, Luise Gotter (1760-1826) und ihrer Eltern
wieder nach Göttingen zurück, stellte dort aber schnell fest, dass
sie in der sich in mancherlei Hinsicht veränderten Situation ihrer
Herkunftsfamilie keine Zukunft mehr für sich sah. Sie schwankte
noch, wohin sie ziehen sollte: Gotha, Weimar oder Mainz, das ihr vor
allem Therese Förster schmackhaft machte. Sie hatte Therese schon im
Frühjahr vier Wochen dort besucht, und war, auch wenn sie sich
bewusst war, dass ihre "Beziehung zu Therese immer konfliktträchtig
(war)" (Appel
2013, S.74) und es wenig Sinn machte, sich bei einem Umzug
dorthin auf eine weiterhin positive Beziehung zu ihr zu verlassen,
jedenfalls nicht sofort bereit, dem Drängen Thereses nach einem
Umzug nachzugeben.
Den Ausschlag in der einer einfachen
Kosten-Nutzen-Rechnung, die sie anstellte, gab wohl eine
übergriffige Heiratsanbahnung, die ausgerechnet von ihrer
Jugendfreundin Luise und deren Ehemann »Friedrich
Wilhelm Gotter (1746-1797), einem Geheimsekretär des herzogliche
Hofes Sachsen-Gotha, ausging, die leicht zu einem endgültigen
Zerwürfnis hätte führen können. Bei einem Kurzbesuch in Gotha, wo
die Gotters wohnten, hatte der gerade erste verwitwete
Generalsuperintendent und Oberkonsistialrat »Josias
Friedrich Christian Löffler (1752-1816), der ein anerkannter
hoher kirchlicher Würdenträger, war Gefallen an Caroline gefunden.
In kurzer Zeit schnürte Friedrich Wilhelm Gotter, wohl im
Bewusstsein Caroline in dieser Angelegenheit einen Gefallen zu tun,
ein Heiratsgesuch Gotters an Caroline, das diese nach ihrer Rückkehr
in Göttingen vollständig überraschte. Ein solches Verfahren der
Heiratsanbahnung, insbesondere von älteren Herren war an sich nichts
Außergewöhnliches und insofern vom Werbenden selbst gesehen keine
Anmaßung. Eine Anmaßung war es allerdings, wie und mit welcher
Haltung Gotter sein so eingefädeltes Heiratsprojekt für die beste
Freundin seiner Frau begründete. Wenn er schon keine Hindernisse für
eine Heirat mit dem gutsituierten, rechtschaffenen, "bezopften,
ältlichen Herrn, der zu den Honoratioren von Gotha gehörte" (ebd.,
S.76), konnte er zweifelsfrei erwarten, dass Caroline den ernsten
Absichten des honetten Mannes sich nicht verweigern konnte. Doch
diese ließ ihn und den Freier auflaufen und lehnte in einer
insgesamt höflichen Art und Weise, die den abgewiesenen Bewerber
"nicht verletzen und auch nicht gesellschaftlich beleidigen wollte."
(ebd.)
Neben der herabsetzenden Anmaßung Gotters war dieser Bewerber, bei
aller Sicherheit, die er zu bieten hatte, vielleicht in Carolines
Augen aber doch ein zu großer "Moralapostel" (Roßbeck
2009,
S.83), mit dem sie sich ein gemeinsames Eheleben nicht so recht
vorstellen konnte. Eines war ihr danach jedenfalls klar, Gotha kam
unter diesen Umständen für einen Umzug nicht in Frage. Im April 1792
zog Caroline mit ihren Kindern ein
paar Monaten bevor die kurfürstliche Residenzstadt am 21. Oktober
des gleichen Jahres von französischen Revolutionstruppen unter
Führung von General »Custine
(1740-1793) erobert wurde, nach Mainz.
In Mainz, das als
kurfürstliche Residenzstadt ein teures Pflaster war, verdiente sich
Caroline mit Stickereien das Zubrot, das nötig war, um das kleine
Zimmerchen zu bezahlen, in dem sie mit ihrer Tochter Auguste wohnte.
Die "abgrundiefe Naivität" (ebd.,
S.88), mit der sie den kommenden Revolutionskriegen und der
bevorstehenden Okkupation linksrheinischer Gebiete durch die
Franzosen entgegensah und jede Flucht ausschloss, rief auch August
Wilhelm Schlegel wieder auf den Plan, der ihr aus Amsterdam
"zärtliche, warnende, tadelnde Briefe" (ebd.,
S.91) schrieb, weil er nicht verstehen konnte, worauf sich
Carolines "Vertrauen in die Ewigkeit der neuen Ordnung" (ebd.) eigentlich
gründete: "Finger weg vom schmutzigen Revolutionsgeschäft, versuchte
er ihr einzuschärfen. Über kurz oder lang würde auch sie Blut an
ihren Händen kleben haben, Eifersüchtig beäugte er aus der Ferne den
wachsenden Einfluss von Forster und Konsorten auf die Freundin. In
großer Sorge um Caroline wäre Schlegel liebend gerne nach Mainz
gereist. Ein Besuch wurde ihm mit der gleichen Hartnäckigkeit
ausgeredet wie seine wiederholten Heiratsanträge." (ebd.)
Nachdem Georg
Forster am 7. November 1792 in den ▪ Mainzer
Jakobinerklubs eingetreten war, von dem Frauen
ausgeschlossen blieben, setzte sich dessen Frau Therese ab einen
Monat später ab und
verschwand ohne ein Abschiedswort aus Mainz zu ihrem Geliebten, dem
sächsischen Legationsrat und Schriftsteller »Ludwig
Ferdinand Huber (1764-1804), der seit 1790 bei den Forsters
wohnte, in die Schweiz.
Caroline kümmerte
sich nun um den mit der neuen persönlichen Situation heillos
überforderten, schon kränkelnden Forster und führte ihm den Haushalt. Selbstverständlich dichtete
man ihnen ein Verhältnis an, für dessen Verbreitung auch Therese,
die sich inzwischen Sorgen um ihren eigenen Ruf machte, beitrug. (Kleßmann
1975, S.114) Mehr noch: In einem Einakter von 28 Seiten eines
anonymen Verfassers aus dem Jahre 1793, der unter dem Titel »Die Mainzer Klubbisten zu Königstein oder die
Weiber decken einander die Schanden auf"
kursierte, spielt auch die Figur der Bürgerin Böhmer
als "eine(r) viel versprechende(n) und wenig haltende(n) Witwe"
eine Rolle. Dabei wird ihr unterstellt wird, "sie habe Therese zur Abreise bewogen
und Forster über das Verhältnis Therese/Huber aufgeklärt, um selbst
mit Forster das Bett teilen zu können." (ebd.)
In Georg Forsters
Haus lernte Caroline auch General »Custine
(1740-1793) und andere französische Offiziere kennen, die sie
als angenehme Kavaliere erlebte, so dass sie ihr ohnehin positives
Frankreichbild bes tätigten.
Angeblich hat sie mit diesen die
Enthauptung des französischen Königs »Ludwig XVI.
(1754-1793) am 21. Januar 1791 in Paris sogar in einer
Ballnacht gefeiert. Im Umgang mit den französischen Offizieren
lernte sie auch den 19-jährigen französischen Leutnant Jean-Baptiste
des Crancé, der aus einer einflussreichen und angesehen
französischen Familie stammte. Er wurde "für ein paar wundervolle
Stunden" (Roßbeck
2009, S.94) ihr Liebhaber. Die Umstände dieses vielleicht nur
One-Night-Stands: "Die seit fünf Jahren Verwitwete, sehr
zurückgezogen Lebende, erlebt eine Ballnacht (es ist Karneval),, in
der sie von einem jungen Offizier umworben wird, den sie – als
Adjutanten d'Oyrés – wahrscheinlich bei Forsters kennengelernt hat,
ohne dass aber ein Liebesverhältnis bestand. In Mainz herrscht jene
hektische Gestimmtheit, die oft Untergangspsychosen vorausgeht, dazu
der Rausch des Festes, den die Neunundzwanzigjährige – und das
bedeutet für jene Zeit: eine schon alternde Frau – genießt.
Sie, die seit fünf Jahren in sexueller Enthaltsamkeit gelebt hat,
findet sich plötzlich umworben von Jugend, und es geschieht
eigentlich ganz selbstverständlich das, was geschehen muss." (Kleßmann
1975, S.115)
Von ihrer
Einstellung zu den weiteren Ereignissen in der besetzten ehemaligen
kurfürstlichen Residenzstadt während der Besatzung und der kurzen
Zeit der ▪
Mainzer Republik (Oktober 1792-Juli 1793) weiß man zumindest so
viel: Die
eingeforderte Treueeklärung zur neuen Republik und die sofortige
Ausweisung und Enteignung von Eidesverweigerern fanden ihre
ungeteilte Zustimmung, wie sie in Briefen an August Wilhelm Schlegel
immer wieder ausdrückte. Doch die Kriegslage änderte sich rasch. Als
die deutschen Koalitionstruppen Mainz Ende April eingekreist hatten,
wendete sich das Blatt. Seit Mitte April wurde die Stadt belagert
und kapitulierte am 22. Juli 1792. Nach dem Abzug der Franzosen
wenige später werden zahlreiche "Klubisten" werden in und vor
Mainz Opfer der Lynchjustiz. 41 Jakobiner werden als Geiseln nach
Ehrenbreitstein deportiert.
Caroline hatte
Glück. Es war ihr gelungen, am 30. März mit ihrer Tochter, »Meta
Forkel (1765-1853), der Schwester des Mainzer führenden Mainzer
Jakobiners »Georg
von Wedekind (1761-1831), und deren Mutter unerkannt aus Mainz
zu fliehen. Doch ihr Plan, sich über Mannheim nach Gotha abzusetzen,
schlug fehl. In der Nähe von Oppenheim wird die Flüchtlingsgruppe
von einem preußischen Vorposten kontrolliert. Befragt nach Papieren
und Namen glauben die Soldaten einen lukrativen Fang gemacht zu
haben, der ihnen ein erkleckliches Lösegeld einbringen würde:
Schwester und Mutter von »Georg
von Wedekind und die (vermeintliche) Frau des Jakobiners »Georg
Wilhelm Böhmer, der als Custines Sekretär mit den französischen
Truppen nach Mainz gekommen war. Man nahm die Gruppe fest, Caroline
konnte die Verwechslung nicht verhindern, und nach ein paar Tagen
Hin und Her wurden sie "in einem offenen Wagen am Ende des
»traurigen« Zuges »kreuzweise zusammengebundener« Jakobiner aus
Mainz, Worms und Bingen, auf ihrem Weg begafft und mit
Verwünschungen überhäuft, mit Steinen, faulen Äpfeln und stinkenden
Eiern beworfen" am 8. April 1792 in die kurmainzische Landesfestung
gebracht und dort mit sieben weiteren Personen unter furchtbaren
hygienischen Verhältnissen und unter dem ständigen Schreien
misshandelter Häftlinge inhaftiert. Sonntags wurden die Häftlingen
von ihren Bewachern gegen ein Eintrittsgeld allen denen
"ausgestellt", die sich ein solches Vergnügen an ihrem Elend leisten
wollten. Aus der Haft herauszukommen, war ohne entsprechende
Fürsprecher draußen in der Welt kaum möglich. Deshalb richtete sich
Caroline an ihre ehemaligen Verehrer Tatter und Meyer, die aber aus
Angst davor, "sich für eine Staatsfeindin in Gewahrsam" (ebd.,
S.102f.) einzusetzen, keinen Finger für Caroline und ihre
Tochter Auguste, die mit ihr eingekerkert war, rührten. Zwar
erreichten Carolines Schwiegervater und die Professoren Schlözer und
Heyne, dass sich die Haftbedingungen für Caroline und Auguste nach
zwei Monaten besserten, aus der Haft entlassen wurden die beiden
allerdings nicht, sondern zunächst nur am 11. Juni von Königstein
nach Kronberg verlegt, wo die harte Festungshaft in Hausarrest
umgewandelt wurde. Caroline war da schon einige Monate schwanger von
ihrem französischen Liebhaber und schwankte hin und her zwischen
Gedanken an Suizid, Abtreibung, aber auch Flucht, um das Kind
irgendwo zur Welt zu bringen, wo man sie nicht kannte.
Dabei war für Caroline, die auch von August
Wilhelms Bruder Friedrich umworben worden war, die "Freundschaftsehe
mit Schlegel [...] wohl auch so etwas wie Selbstschutz" (Appel
2013, S.132).
Es war ein
Arrangement, das in in den Vorstellungen dieser Zeit ihre
bürgerliche "Ehre" wiederherstellte. Nach dem Tode ihres Ehemanns
war sie mit ihrer Tochter Auguste in das revolutionäre Main gezogen.
Während der kurzen Zeit der ▪
Mainzer Republik (Oktober 1792-Juli 1793) hatte sie eine Affäre
mit dem 19-jährigen französischen Leutnant Jean-Baptiste des Crancé,
von dem sie schwanger wurde und kam dadurch sowohl gesellschaftlich
wie auch finanziell nach dem Ende der ersten Republik auf deutschem
Boden in eine äußerst schwierige Lage. Überall wo sie sich als
unehelich schwangere Frau auch hinbegab, wurde sie von der
bürgerlichen Gesellschaft geschnitten und verachtet. Um überhaupt
wieder Fuß fassen zu können, gab sie ihren kleinen Sohn, das
"Franzosenkind" nach seiner Geburt Pflegeeltern, bei denen der
Kleine aber schon bald verstarb.
Die Ehe mit Schlegel jedenfalls eröffnete ihr
wieder einen gewissen bürgerlich-gesellschaftlichen Rahmen, den sie
nach ihrer Mainzer Zeit als unehelich Schwangere von der
bürgerlichen Gesellschaft geschnitten und verachtet, lange hatte
leidvoll vermissen müssen. Sieht man von bestimmten Leuten, die ihr
die Sympathien für die deutschen Jakobiner weiter nachtrugen, und ▪
Intimfeinden wie den Schillers ab, fand sie jedenfalls an der
Seite ihres neuen Ehemanns wieder Luft zum Atmen. Und dieser fand in
der gebildeten Frau an seiner Seite, die "kongeniale Koautorin" (Roßbeck
2009, S.128), die er für seine werknahe Shakespeare-Übersetzung
unbedingt brauchte.
Die Ehe mit
Schlegel war von wechselseitiger Toleranz und dem Gewähren von
Freiheiten gekennzeichnet, was aber nicht verhindern konnte, dass
sie sechs Jahre später schon wieder geschieden wurde. August Wilhelm
"liebelte seit Beginn seiner Ehe anderweitig herum", schwärmte für
schöne Berliner Schauspielerinnen wie »Friederike
Unzelmann (1760-1815) und verliebte sich 1799 in "eine andere
Schöne der Berliner Gesellschaft, die geschiedene Elisa de Nuys".(ebd.,
S.215) Die 29-jährige frisch geschiedene Bremerin hatte es Schlegel
so angetan, dass er ihr in einem Brief von den "Süßigkeiten eines
Umgangs in wenigen Tagen" schwärmt. (zit. n.
Kleßmann
1975, S.197). Caroline jedenfalls scheint diese Affäre ihres
Mannes näher als seine sonstigen "Bettschätze" (ebd.)
gegangen zu sein.
So hatte August
Wilhelm auch kein wirkliches Problem damit, als sich eine Beziehung
zwischen Caroline und dem neuen 23-jährigen und damit, zwölf Jahre
jüngeren "Superstar" der Jenaer Universität, »Friedrich
Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854), entwickelte, der 1798 auf
Vermittlung Goethes als außerordentlicher Professor in Jena mit
seiner Lehrtätigkeit begonnen hatte und seitdem eigentlich ständig
bei den Schlegels zu Gast war.
So war es auch
nicht weiter verwunderlich, dass die Ehe der "beiden Ehefreunde" (Appel
2013, S.241) Caroline und August Schlegel mit Unterstützung
Goethes, der sich beim Herzog von Sachsen-Weimar dafür einsetzte,
schon nach sechs Jahren im Jahr 1803 wieder geschieden und Caroline
im gleichen Jahr Schelling heiratete.
In dem von allen
Schlegels bewohnten Haus in der Jenaer Leutragasse gaben sich
alle, die zum Kreis der Romantiker zählten, die Klinke in die Hand.
»Novalis
(1772-1801) (= Georg Philipp Friedrich von Hardenberg), »Ludwig
Tieck (1773-1835), »Wilhelm
Heinrich Wackenroder (1773-1798), »August
Wilhelm Schlegel (1767-1845) und »Friedrich
Schlegel (1772-1829) sowie die Philosophen »Friedrich
Schleiermacher (1768-1834), »Johann
Gottlieb Fichte (1762-1814), »Friedrich
Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) und der Naturphilosoph »Johann
Wilhelm Ritter (1776-1810) waren dort regelmäßig zu Besuch, täglich
kamen bis zu 18 Mittagsgäste, um miteinander gesellig zu "»Symphilosophieren«
[...] um zu reden, zu scherzen und zu streiten, einheimische und
auswärtige Gäste kamen hinzu." (ebd.,
S.54) An den Abenden trugen sich die Anwesenden eigene und fremde Werke
vor, man fachsimpelte über die Calderón- und Shakespeare
Übersetzungen August Wilhelms, sprach über dies und jenes, was
literarische gerade angesagt war, auch allerlei Jenaer Klatsch kam
dabei wohl zur Sprache, beschäftigte sich aber auch ausgiebig mit
den Gegnern der eigenen Überzeugungen.
Schon Ende des Jahres 1799 neigte sich die Zeit der Jenaer
Frühromantik mit ihrer typischen Gruppenbildung dem Ende zu und ihre
wichtigsten Vertreter verließen die Stadt. Friedrich Schlegel
pendelte ab dem Jahresende zwischen Berlin und Jena hin und her, ehe
er 1802 nach Paris zog. Und sein älterer Bruder August Wilhelm
verlegte seinen Wohnsitz nach seiner Entfremdung von seiner Frau
Caroline nach Berlin, wo er - Berlin hatte zu diesem Zeitpunkt
noch keine Universität – von 1801 bis 1804 öffentliche Vorlesungen -
es waren sogar Frauen zugelassen! – vor einem nichtakademischen,
bildungswilligen und zugleich zahlungskräftigen Hörerkreis hielt,
das sich für neues Wissen und aktuelle Themen interessierte.
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
30.12.2021