Im "6. Gesichte" (das
sechste Traumgesicht) (1. Aufl. 1640) erzählt die Hauptfigur in ▪
Johann Michael
Moscheroschs (1601-1669) ▪
Philander von Sittewald
von seinem Besuch in der Hölle.
"Ich fand, wie richtig dies alles sei. Doch wenn ich dem Teufel Gehör
gegeben hätte, so würde er sein Gespräch noch lange nicht beendet haben.
Darum ging ich von dannen einem
Orte zu, von wo ich ein großes Gelächter
hörte: denn es däuchte mir ein wunderliches Ding zu sein in der Hölle
lachen. Bald sah ich denn
auch zwei todte Kerls beisammen stehen,
bekleidet als ob sie Junker wären. Der eine hielt einen großen
Pergamentbrief in der Hand, unten mit einem tellerbreiten Insiegel
versehen. Ich hielt ihn für irgend einen
Zahnbrecher oder
Bruchschneider, welche oftmals den Junkern gleich gekleidet gehen, der
an einem Orte eine Heldenthat verrichtet, einen armen Mann mit
Aufschneiden um sein Geld gebracht hätte (denn die Bruchschneider sind
von Natur Aufschneider: sie können nicht helfen, es sei denn daß sie den
Schaden zuvor aufschneiden).
Aber bei jedem Wort, das er sprach, erhoben
die Teufel ein Gelächter, als ob sie bersten wollten; deshalb vermuthete
ich, es wäre Harlequin oder Hanswurst oder einer dergleichen
Gaukelnarren, der einen Mummenschanz aufführte und seinen Hut auf
tausenderlei Weisen verwandelte. Aber ich hatte gefehlt; denn als ich
näher herbeikam, sah ich, daß, je mehr die Teufel lachten, sich die
Beiden umso mehr um die Narrenkappe rissen und sich erzürnten. Aus ihren
Worten merkte ich endlich, daß sie
Beide für gut vom Adel wollten
angesehen sein, und daß der Pergamentbrief aus einer fürstlichen oder
pfalzgräflichen Kanzlei herkomme, aus dem der eine seinen
Adel, den er
um viel Geld bar erkauft hatte, beweisen wollte. "Mein Vater, sprach
er, war der und der, hat sich im Kriege ritterlich gebrauchen lassen,
Straßen und Wege sauber gehalten, falsche Briefe und Posten
auszukundschaften gewußt, die Bauern meisterlich können zum Gehorsam
bringen, die Contributionen unfehlbar einfordern, die Ungehorsamen mit
Feuer und Schwert können zur Schuldigkeit treiben. Mein Oheim war der
Oberst Kehraus, des Obersten Räumauf's Vetter. Mit einem Worte:
in
meines Vaters Linie sind fünf vornehme Hauptleute und Helden, von denen
die Galeeren zu Neapel noch genugsam Zeugnis geben können. Von
Mutter-Seite stamme ich gleichfalls von vornehmem Geschlecht und
vornehmen Leuten her; das kann auch nicht gut anders sein: denn, noch
ein Kind, hörte ich sagen, daß meine Großmutter ein tapferes Weib wäre,
deren Haus nimmer ohne großen Verkehr und allezeit mit zehn oder zwölf
Mägden und Säugammen versehen gewesen." – "Vielleicht hat sie, sprach
ein Teufel, ein offenes Hurenhaus gehalten?" "Sie habe gehalten was sie
wolle, fuhr der Monsieur fort: was geht's einen andern an; was ich von
ihr gemeldet habe, ist eben wahr, das weiß ich. Ihr Vater trug allezeit
einen Degen als Zeichen seines Standes." – "Vielleicht ist er Thurmhüter
gewesen?" sprach ein Teufel. "Wer mir nicht glauben will, der sehe hier
Siegel und Brief, sprach der Herr Junker; dann wird er finden, daß ich
meinen adligen Titel nicht umsonst führe. Wer will nun an meinem Adel
zweifeln oder mich in einen geringeren Stand setzen, als meinen
Mitgesellen?"
Der Teufel antwortete ihm: "Mein Herr Junker, es ist ja niemand
dagegen, daß alles dies wahr sei: was du bezahlt hast, das ist
billig dein.
Aber was ist euer Thun und Wesen? Habt ihr auch während
der Zeit eures Adels etwas Adliges verrichtet? Sind nicht
Gotteslästern, Fluchen, Schwören, Huren, Rauben und Morden eure
größten Thaten gewesen? Huren- und Wirthshäuser anstatt die Kirche
zu besuchen, Tabak rauchen, ehrliche Leute ängstigen und peinigen,
das Land verderben, – ist es nicht euer einziges Thun gewesen? Soll
das eines Edelmannes Leben sein? Soll das einen Junker geben? Dann
kann ja jeder Strauchdieb dergleichen wohl erwerben. Pfui des kahlen
Titels, des losen Adels, der allein in Briefen, in Lastern, in
Aufschneidereien und Prahlen, und nicht in Ehre und Tugend besteht!
Wir Teufel sind nicht so albern, daß wir uns wie die einfältigen
Bauern betrügen, drillen und tribuliren lassen. Tugend hin, Tugend
her, das ist ein schöner Adel! Spielen, Prassen, Hunde und Vögel
ziehen, Kauderwelschen, Pochen, Poltern, Fluchen, Alfänzen, Bauern
schinden, Rauben, Sengen: – das macht keinen Junker!
Wie geringen
Herkommens ein Kerl immer sei: wenn er sich in seinem Leben und Thun
rechtschaffen, aufrichtig, mannhaft, fest, fromm und redlich
erweist, so ist er wahrhaft von Adel, und wir haben über ihn so
wenig Gewalt, so wenig ihr pergamentenen Junker mit euren
schindhündischen Thaten uns entlaufen könnt. Aber genug! Ihr Herren
habt nimmermehr etwas getaugt und seid in eurem ganzen Leben nicht
werth gewesen, das warme Wasser über dem Brot zu saufen: darum habt
ihr auch ein solches Ende erlangt." Da gab er ihm einen Stoß, daß er
Hals über Kopf in die ewige Tiefe hinunter fiel.
Es mögen sich diejenigen, welche den Adel zu verleihen Gewalt
haben, vorsehen, daß es ihnen nicht ergeht wie dem
Herzog Anton von
Lothringen, der einst einen Falschmünzer zum Strang verdammen ließ;
und als er nun später einen kargen Schindhund adeln wollte, sagte
einer seiner Räthe zu ihm: Gnädigster Fürst und Herr, haltet ein mit
diesem Kerl, sonst habt ihr ein nicht geringeres Urtheil verwirkt
als ein Falschmünzer! – Der Herzog fragte warum? Darum, versetzte
der Rath, weil Ew. Fürstl. Gnaden einen Falschen von Adel machen.
Als der andere Gesell dem Spiel zugesehen hatte, sprach er:
"Gnädiger Herr Teufel! so soll man es mit den Pfeffersäcken und
neugebackenen Junkern machen, ganz recht so! weil sie sich im Stande
uns gleich zu sein achten wollen. Ich aber, der ich mit meinen
zweiunddreißig Ahnen ein Edler von Geblüt und aus der alten
Ritterschaft geboren bin, auch nicht sorgen brauche, daß mir bei
Turnieren irgend ein Schimpf geschehen oder daß ich auf die
Schranken gesetzt werde – ich hoffe, daß mir mehr Ehren widerfahren
sollen." "Wohledelgeborner, gestrenger und mächtiger Junker!
antwortete der Teufel: des Herren Junkers Herkommen ist uns sehr
wohl bekannt. Wenn hier nichts weiter als Titel, Ahnen, Geblüt und
alte Ritterschaft vorzubringen sind, so habt ihr wenig Freundschaft
vom Teufel zu gewärtigen. Aus dem Alter des Adels einen ehrlichen
Mann zu erweisen, das würde Schnaubens geben!
Denn woher kommt
anders der Adel als durch allerhand Griffe, Raub, Gewalttaten und
Mord? Wieviele sind derer, die sich eines altadligen Geschlechts
rühmen und deswegen andere, als Sklaven, über die Achsel ansehen
oder ihnen nicht das Maul gönnen? Während sie doch durch solch
unwirsche Grobheiten weiter nichts zu erkennen geben, als daß sie
den rechten Adel nie recht erkannt haben, dessen Wesen ist, den
geringeren Standespersonen mit Freundlichkeit, Sanftmuth und Tugend
vorzuleuchten: der Adel der Sitten ist mehr werth, als der Adel der
Geburt. Habt ihr etwa anderthalb Unterthanen, –
was muß das arme
elende Volk nicht für Leibdienste und Frohnden leisten und dulden!
bald eine Steuer, bald eine Schätzung, bald eine Satzung, bald einen
Frevel, den man vom Zaune herabsucht, so daß sie es nicht besser
haben, als die elenden leibeigenen Leute vor Zeiten unter den
Heiden. [...]
Ueberdies: in welcher Ueppigkeit und Schwelgerei bringt der
meiste Theil von euch sein Leben hin! Ist ein Edelknabe wehrhaft
gemacht, so bleibt er vielleicht zu Hofe sitzen, kommt sein Lebtag
nicht weiter als bis an das große Messer, lernt einen Hasen
vorschneiden, eine Ente zerlegen, einen Waidspruch hersagen. Da ist
dann sein Leben und Wandel, ja sein tägliches Amt nichts anders als
trinken und trinken machen, saufen und zu saufen zwingen, eine Gasse
auf, die andere ab; und wenn es zu herrschaftlichen Geschäften,
Verrichtungen und Rathschlägen kommt, dann ist er so still wie eine
Maus, wenn sie die Katze merkt. Fragt man ihn französisch, so
antwortet er, damit er nicht ganz stillschweige ›oui‹, obschon er es
nicht versteht; fragt man ihn lateinisch, so versteht er es ohnehin
nicht; fragt man deutsch, so mag er nicht antworten, weil die Mode,
die Reputation und die unadlige Einbildung dem Adel nicht erlaubt,
daß er gut deutsch rede. Und gleichwohl, wenn ein solcher, der mit
den gröbsten lotterbübischen Zoten, mit Rülpsen und Kotzen
aufgezogen ist, ankäme, würde er bei Fürsten und Herren einem andern
rechtschaffenen Manne, der sich wegen solcher Sünden vor Gott
fürchtete, vorgezogen werden: und das ist nicht mehr eine alte
Gewohnheit, sondern es ist zum ewigwährenden Wesen geworden; darum
geht es auch so gut auf Erden.
O ihr Fürsten und Herren! O ihr Fürsten und Herren, die ihr euch
der alten deutschen Frömmigkeit und Tugenden schämet und die Ohren
nach welschen Untugenden jucken lasset! Warum folgt ihr nicht euren
christlichen Räthen und liebt, ehrt und fördert Künste und Tugenden,
die doch bei den Türken und Heiden geliebt, geehrt und gefördert
werden, bei denen es heißt:
Wie das Alter kommt von Jugend,
So kommt Adel von der Tugend.
Wie alberne Menschen seid ihr, die ihr meint, eure Lande ohne
Tugend in Ruhestand und Frieden zu bringen und zu erhalten! Nun,
wollt ihr euren frommen, redlichen deutschen Räthen nicht folgen
noch sie hören, so müsset ihr doch mich hören: denn wer die Wahrheit
zu seiner Besserung nicht von Gott anhören will, dem muß der Teufel
zu seinem Untergang die Predigt halten, wenn er sich nicht bekehrt
und Buße thut.
Bei den alten Turnierhändeln war besonders dies des wahren Adels
Zeichen: Witwen und Waisen zu schützen und Jungfrauen in der Noth zu
retten und zu beschirmen. Von euch Junkerleins heutiges Tages sind
eurer viele so kühn, daß, wenn ihr eines armen Bauern wohlerzogene
Tochter wo nicht mit List so mit Gewalt zu Unehren und zu Falle
gebracht, und man euch allemal in die Schranken forderte, wie
Turniers Brauch ist, wahrlich wenig Spieße mehr gebrochen würden.
Ich will gern davon schweigen, wie wenig eurer viele heutiges Tages
sich scheuen, ihr hochbetheuertes Versprechen durch Abläugnung ihrer
eigenen Worte zunichte zu machen, so daß es nunmehr bei den
Deutschen zum Sprichwort geworden ist: verheißen ist edelmännisch,
halten ist bäuerisch.
Euer Hochmuth und Stolz ist nicht zu ergründen; ein Mann sei so
ehrlich und tapfer, als er immer wolle; in Diensten und Aemtern so
erfahren, so angesehen, so beliebt, als es möglich sein kann; ihr
schlagt doch den Muff über ihn und achtet ihn eures Gesprächs nicht
würdig, weil er ein Pfeffersack oder Schurke sei, als ob das Blut
eines Ehrenmannes nicht so roth wäre als dessen, der von Adel
geboren ist, oder als ob ihr eurer Mutter aus den Brüsten und nicht
daher kommt, woher die andern, oder um recht bäuerisch zu reden, wie
der alte Bauer Marius zu Rom: als ob euer Dreck Butter und eure
Winde Bisam wären; ja, als ob ihr aus einem besseren Teige gebacken
wäret als der wüsteste, stinkende Tropf und Stallknecht auf Erden.
Geschieht's, daß einer sich etwa in den Krieg, des Adels Schule,
begiebt und zu einem Amt gelangt: – o wie viele sind derer, welche
auf unritterliche Thaten sinnen und nicht bedenken, daß der Soldat
den Namen trägt, um für Sold eine That zu thun; sondern sie gehen
aus auf Rauben, Stehlen, Straßenfegen, Erbeuten bis auf die dünnen
Biere und Kleie, auf Bauern- und Bürgerplündern und andere lose
Stücke; z. B. wie sie den Soldaten den sauerverdienten Lohn
vorenthalten, wie sie die Fürsten mit Passe-volants, mit Lichtergeld,
Luntengeld, Werkgeld, Heugeld, Strohgeld, Ackergeld, mit
ewighöllischem Pein-, Rauch- und Flammengeld – die armen Unterthanen
mit Commis- und Diebsgriffen und Proviantforderungen aussäckeln
können. Daher denn der nackte verhungerte Landsknecht sein Leben aus
dem Stegreif zu fristen und dem armen Bauersmann das Blut aus den
Nägeln zu saugen und noch viel gröbere Stücke zu treiben veranlaßt
wird, daß sich Gott erbarme. Sie alle muß der Herr Oberaufseher
controlliren, aber – wie streng er sich auch gegen einlaufende
Klagen stellt – er darf die Verbrecher nimmermehr zu schuldiger
Strafe heranziehen, weil er es selbst nicht besser macht. Wie will
man hoffen redliche Soldaten zu bekommen, wenn Hauptleute und
Commissarien selbst Diebe sind! Wenn es nun zum Treffen kommt, dann
ziehen sie, wie rechte Lieutenants, hinter dem Volke her oder machen
sich gar unsichtbar und verkriechen sich hinter Bäume und Mauern,
während doch
Freie Kunst und gut
Gemüth
Ist des Adels best
Geblüt.
Oder wenn es noch redlich hergeht, dann trinken sie sich nicht
nur einen Rausch, damit sie etwas Muth kriegen, sondern saufen sich
ganz voll, damit sie ohne Sinn und Verstand seien, nichts fühlen und
empfinden, aber auch nicht wissen, wie sie die Dinge, die ihnen
plötzlich begegnen, angreifen sollen. Doch in Gesellschaften reden
sie von nichts als von Schrammen und Schlachten und Metzeleien;
damit sie für Helden gehalten werden, machen sie sich selbst mit dem
Messer einen Schnitt in den Hut, einen Ritz in die Stirn oder
schießen durch das Koller, und hernach lassen sie es als Zeichen
ihrer Mannheit aufweisen und ausrufen, auf daß sie ihrer Meinung
nach geehrt und gefürchtet werden.
Ja, wie viel ehrliebender Leute
Kinder müssen im Spital, auf der Straße, in der Scheuer, oder gar
auf der Schildwache verhungern, erfrieren, sterben, an Leib und
Seele verderben oder zu Straßenräubern und Mördern werden, nur
allein aus dem Grunde, weil ihnen ihre Hauptleute die gebührende
Schuldigkeit mit List oder Gewalt abzwacken, vorenthalten und
abstehlen." Dieser Teufel, dachte ich bei mir, muß eine gute Hebamme
gehabt haben, weil ihm die Zunge so gut gelöst ist; und ich glaube,
wenn er von seinen Genossen nicht anderweitig wäre gerufen worden,
er hätte sein Gespräch noch mit vielen anderen bekannten edlen
Meisterstücken zieren können. Aber er mußte fort. Der Junker aber,
welcher in Sorgen stand, es möchte ihm wie dem vorigen ergehen,
sprach zu einem andern Teufel, der dabei stand: es sei zwar an dem,
daß dergleichen unter den heutigen Edelleuten sehr im Schwange gehe;
doch um eines bösen Buben, eines stolzen Narren willen sei der
gesammte Adel nicht zu schelten: denn er für seine Person wüßte sich
von all solchen Verbrechen ganz frei.
"Herr Junker! sprach derselbe
Teufel: es ist nicht möglich, daß der, welcher ein besseres Leben
geführt hätte, nach seinem Tode hierher kommen sollte wie du. Ergo
kannst du dir die Rechnung unschwer selbst machen. Und weil du
meinst, du seiest engelrein – wohlan! wir wollen dem übrigen Adel
zum Besten einen Spiritus Tartari aus deinen Werken extrahiren, um
ihnen damit gegen den bösen schleimigen Magen zu helfen oder sie mit
deiner Quintessenz zu laben. Damit du uns auch nicht etwa der
Unhöflichkeit und Grobheit bezichtigen könnest, so sollst du von uns
als Cavalier, nicht als Pfeffersack, sondern recht edelmännisch
behandelt werden;" und unversehens war ein Teufel zur Stelle,
gesattelt und gezäumt wie ein großer Reithengst; der andere nicht unbehende, als Herr Stallmeister, griff mit der Linken an die Bügel,
mit der andern hob er sich in den Sattel und mit dem Junker davon
über alle Teufel hinweg, daß ich ihn nicht mehr sehen konnte.
Ich fragte, in welches Land er reiten müsse? "Nicht weit, nicht
weit, sprach ein anderer Teufel, der da stand: was hier geschehen
ist, ist nur um den Anstand zu beobachten; denn den edlen Cavalieren
sind wir billiger Weise bereitwilliger zu Diensten als andern
gemeinen Leuten, die uns eben auch nicht alles nach Gefallen thun
wie der Adel. Sieh nur beiseits!"
Und wahrlich! ich sah den armen Junker in einem glühenden Ofen
liegen mit allen Stiftern und Urhebern des Adels wie: Kain, Cham,
Nimrod, Esau, Kambyses, Romulus, Tarquinius, Nero, Caligula,
Domitianus, Heliogabalus und andern unzähligen Helden. Insonderheit
waren viele mir bekannte darunter, welche bei dem jetzigen
böhmischen Unwesen bisher ihren Adel durch Feuer, Schwert und
Strang, durch Rauben und Blutvergießen, durch Tyrannei und Laster,
nicht aber durch Tapferkeit und Tugend entweder von neuem erlangt
oder doch erhöht hatten. Ich sah sie mit Verwunderung an; sie aber
schlugen die Augen unter sich vor Scham, daß sie aus so gewaltigen
Hansen und Weltbezwingern so grausame Höllenbrände geworden waren.
Während ich dies alles betrachtete, trat gegenüber ein anderer
Geist mit einem großen pergamentenen Brief auf, von dem er ein
Urtheil ablas. Meines Wissens sind dies die Worte gewesen:
Edel kommt von eitel her,
Aber nicht von Adel, und Adel
Heißet soviel als Un-Tadel;
Das ist selten edel mehr.
Edelleut' und Edelfrauen
Thun meist nach der Eitelkeit,
Nach des Fleisches Ueppigkeit,
Nicht nach Ehr' und Tugend schauen.
Wenig sind da ohne Tadel,
Drum sind wenig recht von Adel.
Also, also geht es heut:
Prahlen, Pochen, Fressen, Saufen,
Nach dem Geiz und Wucher laufen;
So sind unsre Edelleut'.
Sauer sehen und braviren,
Raub und Reputation
Sind des Adels Ehrenkron';
Bauern schinden, tribuliren.
Wenig sind da ohne Tadel, Drum sind wenig recht von Adel.
Adels Sitt' ist Freundlichkeit,
Gern ansprechen, Bauern lieben,
Sich in Kunst und Tugend üben;
Alte Treu und Redlichkeit
Muß da sein vor allen Dingen;
Adel ist nicht aus dem Blut,
Nicht aus Zins und großem Gut,
Nicht mit Fluchen zu erzwingen.
Wenig sind da ohne Tadel,
Drum sind wenig recht von Adel.
Bergskofsky und seine Rott'
(Die den Adel heut erworben
Drum manch redlich Mann verdorben),
Sind des wahren Adels Spott:
Tugend muß den Adel zieren,
Adel ist der Tugend Lohn,
Tugend ist des Adels Kron'.
Da hilft wahrlich kein Erfrieren:
Denn wer nicht ist ohne Tadel,
Der ist auch nicht recht von Adel.
Drum in deiner Jugend
Streb' nach Ehr' und Tugend,
Und leb' ohne Tadel:
So wirst du von Adel.
Nun weiß ich zwar sehr wohl, dachte ich im Weitergehen (denn es
wollte mir an dem Orte zu heiß werden), daß der Teufel ein Lügner
ist von Anbeginn; aber ich habe nun aus diesem Gespräch gemerkt, daß
er auch die Wahrheit sagen kann; und ich wollte lieber den Adel
nicht noch einmal geschenkt nehmen, als daß ich sein Gespräch nicht
gehört und die vielen Beispiele nicht erfahren hätte."
Wunderliche und warhafftige Gesichte Philanders von Sittewald,
das ist Straff-Schrifften Hanß-Michael Moscherosch von Wilstädt. In
welchen Aller Weltwesen, Aller Mänschen Händel . als in einem
Spiegel dargestellet und gesehen werden. Von Ihme zum letztern mahl
auffgelegt, vermehret, gebessert, mit Bildnussen gezieret, und . in
Truck gegeben. 2 Tle. in 1 Band. Straßburg, J. Ph. Mülbe u. J.
Städel 1650. 8°. 23 Bll., 709 S., 12 Bll.; 7 Bll., 931 (recte 911)
S., mit 2 gest. Titeln, 7 (st. 8) Kupfertafeln, 2
Poträt-Kupfertafeln, 1 (ganzs.) Textkupfer u. 25 (1 ganzs.)
Textholzschnitten, Prgt. d. Zt., in der sprachlich erneuerten
Fassung von Karl Müller 1883
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
06.02.2022