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▪
Erzählformen und Erzählverhalten
(Petersen)
▪
Überblick
▪
Erzählform
▪
Standort des Erzählers (point of view)
▪
Erzählperspektive (Sichtweise)
▪
Erzählverhalten
▪
Erzählhaltung
▪
Darbietungsweisen
(Der Senator
•
Thomas Buddenbrook (1826-1875)
verhandelt fast zwei Stunden lang über den Verkauf des alten Hauses
in der Mengstraße in seinem Privatcomptoir mit dem Makler
»Sigismund
Gosch,
der wie der Erzähler sagt, dabei "alle Register seiner
Charakterkunst" zieht, um sein in den Augen des Senators
eindeutig zu gering ausfallendes Angebot, durchzusetzen.)
"[ ...] Das dauerte
wohl zwei Stunden lang, in deren Verlaufe Herr Gosch Gelegenheit
hatte, alle Register seiner Charakterkunst zu ziehen. Er spielte
gleichsam ein doppeltes Spiel, er spielte einen heuchelnden
Bösewicht. »Schlagen Sie ein, Herr Senator, mein jugendlicher
Gönner … 84 000 Courantmark … es ist das Angebot eines alten,
ehrlichen Mannes!« sagte er mit süßer Stimme, indem er den Kopf auf
die Seite legte, sein von Grimassen verwüstetes Gesicht zu einem
Lächeln der treuherzigen Einfalt verzog und seine Hand, eine große,
weiße Hand, mit langen und zitternden Fingern, von sich streckte.
Aber das war Lüge und Verräterei! Ein Kind hätte diese heuchlerische
Maske durchschauen müssen, unter welcher die tiefinnere
Schurkenhaftigkeit dieses Menschen gräßlich hervorgrinste … [ ...]
Herrn Gosch ging es
schlecht; mit einer schönen und großen Armbewegung wies er die
Annahme zurück, er könne zu den Glücklichen gehören. Das
beschwerliche Greisenalter nahte heran, es war da, wie gesagt, seine
Grube war geschaufelt. Er konnte Abends kaum noch sein Glas Grog zum
Munde führen, ohne die Hälfte zu verschütten, so machte der Teufel
seinen Arm zittern. Da nützte kein Fluchen … Der Wille triumphierte
nicht mehr … Immerhin! Er hatte ein Leben hinter sich, ein nicht
ganz armes Leben. Mit wachen Augen hatte er in die Welt gesehen.
Revolutionen und Kriege waren vorübergebraust, und ihre Wogen waren
auch durch sein Herz gegangen … sozusagen. Ha, verdammt, das waren
andere Zeiten gewesen, als er während jener historischen
Bürgerschaftssitzung an der Seite von des Senators Vater, neben
Konsul Johann Buddenbrook dem Ansturm des wütenden Pöbels getrotzt
hatte! Der schrecklichste der Schrecken … Nein, sein Leben war nicht
arm gewesen, auch innerlich nicht so ganz. Verdammt, er hatte Kräfte
verspürt, und wie die Kraft, so das Ideal – sagt Feuerbach. Und auch
jetzt noch, auch jetzt … seine Seele war nicht verarmt, sein Herz
war jung geblieben, es hatte nie aufgehört, würde nie aufhören,
grandioser Erlebnisse fähig zu sein, seine Ideale warm und treu zu
umschließen … Es würde sie mit ins Grab nehmen, gewiß! Aber waren
Ideale dazu da, erreicht und verwirklicht zu werden? Keineswegs! Die
Sterne, die begehrt man nicht, aber die Hoffnung … oh, die Hoffnung,
nicht die Erfüllung, die Hoffnung war das Beste im Leben.
L'espérance toute trompeuse qu'elle est, sert au moins à nous mener
à la fin de la vie par un chemin agréable*. Das hatte
Larochefoucauld gesagt, und es war schön, nicht wahr? … Ja, sein
hochverehrter Freund und Gönner brauchte dergleichen nicht zu
wissen! Wen die Wogen des realen Lebens hoch auf ihre Schultern
genommen hatten, daß das Glück seine Stirn umspielte, der brauchte
solche Dinge nicht im Kopfe zu haben. Aber wer einsam tief unten im
Dunkel träumte, der hatte dergleichen nötig! …"
(Quelle: Thomas Mann, Buddenbrooks, Frankfurt; Fischer 1999/2008,
IX, 4 - S. 594f.;Mann, Thomas. Buddenbrooks: Verfall einer Familie
(Fischer Klassik) (S.359-360). FISCHER E-Books. Kindle-Version. )
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