In der
literaturwissenschaftlichen Sekundärliteratur zu
Thomas
Manns Roman »Buddenbrooks« finden
sich verschiedene Urteile und Interpretationsansätze zur Figur
Johann (Jean) Buddenbrook,
dem Konsul. Eine kleine Auswahl von Äußerungen:
Ernst Keller, 1988:
"Um die Familientradition fortzusetzen, orientiert er sich weniger an
der Gegenwart und ihren Möglichkeiten als an den Prinzipien der Vergangenheit.
Auch gegen die erfolgreiche Konkurrenz gedenkt er an dem Leitspruch der
Buddenbrooks festzuhalten nur solche Geschäfte zu machen, dass er nachts ruhig
schlafen kann." (Keller
1988, S.175)
Jochen Vogt, 1995:
Über die Inschrift an der Giebelfassade des Hauses in der Mengstraße
"Dominus providebit":
"Diese Losung reiht sich den bereits erwähnten Vorausdeutungen bruchlos
an; ihrem Wortlaut nach - 'Der Herr wird vorsorgen' - ist sie Ausdruck
ungebrochenen religiösen Vertrauens, das die menschliche Zukunft im göttlichen
Heilsplan verbürgt weiß. Man kann sie daher auch anders übersetzen und damit
ambivalenter lesen: 'Der Herr wird voraussehen' - was sieht er in der Zukunft,
die den Menschen noch verborgen ist?" (Vogt
1995, S.24f.)
Jochen Vogt, 1995:
"'Zwischen' diesen beiden Kontrahenten, die ihre jeweiligen Interessen
mit Entschiedenheit vertreten, steht der Konsul. Die Forderung Gottholds [...]
trifft bei ihm genau den Widerspruch von christlicher Ethik und
geschäftsmäßiger Kalkulation [...]. Aber scharf kontrastiert diesen
moralischen Erwägungen die ökonomische Kalkulation, die der Konsul gleich
anschließt [...] und diese Rechnung gibt den Ausschlag für seine eindeutige
Entscheidung". (Vogt
1995, S.25)
Fred Müller, 1998:
"Die Frömmigkeit, die der Konsul zeigt, ist geprägt vom
Puritanismus bzw. Pietismus. Dies zeigt sich etwa in der rigorosen
Forderung nach der Unterordnung des Individuums unter allgemeine Pflichten
[...], der Abneigung gegen das Theater [...], der starken Beschränkung
auf das Familienleben, der Betonung der Sparsamkeit und der Arbeit, aber
auch in der Hochschätzung der äußeren Form, der zur Schau getragenen
Wohlanständigkeit. " (Fred
Müller 1998, S.29)
Jochen Vogt, 1995:
"Sein Glaube lenkt und leitet geradezu sein geschäftliches Gebaren,
verbürgt ihm zumindest subjektiv den Sinn und Wert des Erwerbsstrebens und
Fleißes - ein Sinn, der seinem Sohn Thomas zunehmend verlorengeht und den er
nur durch 'Haltung' wird ersetzen können. In Johann Buddenbrooks Frömmigkeit
übersetzt sich die ökonomische Zweckmäßigkeit sozusagen in eine moralische
Maxime, der zu folgen er sich und den Seinen zur Pflicht macht. [...] Die
Fundierung einer neuartigen und spezifisch bürgerlichen Arbeitsmoral und
Lebensführung auf religiöse Maximen, wie sie in solchen Äußerungen und im
ganzen Verhalten des Konsuls zum Ausdruck kommt, hat im Jahre 1905 [...] der
Soziologe Max Weber als 'protestantische Ethik' beschrieben [...] Profit
und Reichtum - die ja in durchaus problematischer Spannung zu den biblischen und
urchristlichen Geboten der Armut und Nächstenliebe stehen - werden so
definiert, dass sie geradezu gottgefällig, als Ausweis christlichen Verhaltens
und göttlicher Gnade erscheinen. [Produktive Berufsarbeit, Fleiß,
Zeitökonomie und Sparsamkeit sind ihre zentralen Forderungen [...]. Zugespitzt
könnte man formulieren, dass die protestantische Ethik die ökonomisch
notwendigen Praktiken des Kapitalismus dem frommen Kaufmann oder Unternehmer als
Christenpflichten subjektiv annehmbar und verbindlich macht, sie moralisch legitimiert
- und ihn damit zugleich für die kapitalistische Praxis motiviert."
(Vogt 1995, S.40f.)