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Gesamttext (Recherche-/Leseversion
VIERTER AUFZUG
SIEBENTER AUFTRITT
Nathan und der Klosterbruder.
NATHAN.
(Ich bliebe Rechas Vater Doch gar zu gern!
- Zwar kann ich's denn nicht bleiben, Auch wenn ich aufhör, es zu heißen? - Ihr, Ihr selbst werd ich's doch immer auch noch heißen, Wenn sie erkennt, wie gern ich's wäre.)1 - Geh! - Was ist zu Euern Diensten, frommer Bruder? KLOSTERBRUDER. Nicht eben viel. - Ich freue mich, Herr Nathan, Euch
annoch2 wohl zu sehn. NATHAN.
So kennt Ihr mich? KLOSTERBRUDER. Je nu; wer kennt Euch nicht? Ihr habt so manchem 2920 Ja Euern Namen in die Hand gedrückt. Er steht in meiner auch, seit vielen Jahren. NATHAN
(nach seinem Beutel langend)3. Kommt, Bruder, kommt; ich frisch ihn auf. KLOSTERBRUDER.
Habt Dank! Ich würd' es Ärmern stehlen; nehme nichts. - Wenn Ihr mir nur erlauben wollt, ein wenig Euch meinen Namen aufzufrischen. Denn Ich kann mich rühmen, auch in Eure Hand Etwas gelegt zu haben, was nicht zu Verachten war. NATHAN. Verzeiht! - Ich schäme mich - Sagt, was? - und nehmt zur
Buße4 siebenfach 2930 Den Wert desselben von mir an. KLOSTERBRUDER.
Hört doch Vor allen Dingen, wie ich selber nur Erst heut an dies mein Euch vertrautes Pfand Erinnert worden. NATHAN.
Mir vertrautes Pfand? KLOSTERBRUDER.
Vor kurzem saß ich noch als Eremit5 Auf Quarantana6, unweit Jericho.7 Da kam
arabisch Raubgesindel, brach Mein Gotteshäuschen ab und meine
Zelle8
Und schleppte mich mit fort. Zum Glück entkam Ich noch und floh hierher zum Patriarchen, 2940 Um mir ein ander Plätzchen auszubitten,
Allwo9 ich meinem Gott in Einsamkeit Bis an mein selig Ende dienen könne. NATHAN. Ich
steh auf Kohlen10, guter Bruder. Macht Es kurz. Das Pfand! das mir vertraute Pfand! KLOSTERBRUDER. Sogleich, Herr Nathan. - Nun, der Patriarch
Versprach mir eine Siedelei11 auf Tabor,12 Sobald als eine leer; und hieß inzwischen
Im Kloster mich als
Laienbruder13 bleiben. Da bin ich itzt, Herr Nathan; und verlange
2950 Des Tags wohl hundertmal auf Tabor. Denn
Der Patriarch braucht mich zu allerlei, Wovor ich großen Ekel habe. Zum Exempel: NATHAN. Macht, ich bitt Euch! KLOSTERBRUDER.
Nun, es kömmt! - Da hat ihm jemand heut ins Ohr gesetzt: Es lebe hier herum ein Jude, der Ein Christenkind als seine Tochter sich Erzöge.14 NATHAN. Wie?
(Betroffen.) KLOSTERBRUDER.
Hört mich nur aus! - Indem Er mir nun aufträgt15, diesem Juden
stracks16, Wo möglich, auf die Spur zu kommen, und 2960 Gewaltig sich ob eines solchen Frevels Erzürnt, der ihm die wahre Sünde wider Den
heil'gen Geist17
bedünkt18; - das ist, die Sünde, Die aller Sünden
größte Sünd' uns gilt19, Nur dass wir, Gott sei Dank, so recht nicht wissen, Worin sie eigentlich besteht: -
da wacht Mit einmal mein Gewissen auf; und mir
Fällt bei20, ich könnte selber wohl vor Zeiten Zu dieser unverzeihlich großen Sünde Gelegenheit gegeben haben. - Sagt: 2970 Hat Euch ein Reitknecht nicht vor achtzehn Jahren
Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen? NATHAN. Wie das? - Nun freilich - allerdings - KLOSTERBRUDER.
Ei, seht Mich doch recht an! - Der Reitknecht, der bin ich. NATHAN. Seid ihr? KLOSTERBRUDER.
Der Herr, von welchem ich's Euch brachte, War - ist mir recht - ein Herr von Filnek. - Wolf Von Filnek21! NATHAN. Richtig! KLOSTERBRUDER.
Weil die Mutter kurz Vorher gestorben war; und sich der Vater Nach - mein ich -
Gazza22
plötzlich werfen musste, Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte: 2980 So sandt' er's Euch. Und traf ich Euch damit Nicht
in Darun23? NATHAN. Ganz recht! KLOSTERBRUDER.
Es wär' kein Wunder, Wenn mein Gedächtnis mich betrög'. Ich habe Der braven Herrn so viel gehabt; und diesem Hab ich nur gar zu kurze Zeit gedient. Er blieb24 bald drauf bei Askalon25: und war Wohl sonst ein lieber Herr. NATHAN.
Ja wohl! ja wohl!
Dem ich so viel, so viel zu danken habe! Der mehr als einmal mich dem Schwert entrissen!26 KLOSTERBRUDER. O schön! So werd't Ihr seines Töchterchens 2990 Euch um so lieber angenommen haben. NATHAN. Das könnt Ihr denken. KLOSTERBRUDER.
Nun, wo ist es denn? Es ist doch wohl nicht etwa gar gestorben? - Lasst's lieber nicht gestorben sein! - Wenn sonst Nur niemand um die Sache weiß: so
hat Es gute Wege.27 NATHAN. Hat
es? KLOSTERBRUDER. Traut
mir, Nathan! Denn seht, ich denke so!
Wenn an das Gute, Das ich zu tun vermeine, gar zu nah Was gar zu Schlimmes grenzt: so tu ich lieber Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar 3000 So ziemlich zuverlässig kennen, aber Bei weiten nicht das Gute. - War ja wohl Natürlich; wenn das Christentöchterchen Recht gut von Euch erzogen werden sollte: Dass Ihr's als Euer eigen Töchterchen Erzögt. - Das hättet Ihr mit aller Lieb' Und Treue nun getan, und müsstet so Belohnet werden? Das
will mir nicht ein28. Ei freilich,
klüger hättet Ihr getan; Wenn Ihr die Christin durch die zweite Hand 3010 Als Christin auferziehen lassen: aber So hättet Ihr das Kindchen Eures Freunds Auch nicht geliebt. Und
Kinder brauchen Liebe, Wär's
eines wilden Tieres Lieb'29 auch nur, In solchen Jahren mehr, als Christentum.
Zum Christentume hat's noch immer Zeit. Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm Vor Euern Augen aufgewachsen ist,
So blieb's vor Gottes Augen, was es war. Und
ist denn nicht das ganze Christentum 3020 Aufs Judentum gebaut? Es hat mich oft Geärgert, hat mir Tränen g'nug gekostet, Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten, Dass
unser Herr ja selbst ein Jude war. NATHAN. Ihr, guter Bruder, müsst mein
Fürsprach30 sein, Wenn Hass und
Gleisnerei31 sich gegen mich Erheben sollten, -
wegen einer Tat - Ah, wegen einer Tat! - Nur Ihr, Ihr sollt Sie wissen! - Nehmt sie aber mit ins Grab! Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht, 3030 Sie jemand andern zu erzählen.
Euch Allein erzähl ich sie. Der
frommen Einfalt32 Allein erzähl ich sie.
Weil die allein Versteht, was sich der gottergebne Mensch33
Für Taten abgewinnen kann. KLOSTERBRUDER.
Ihr seid Gerührt, und Euer Auge steht voll Wasser? NATHAN. Ihr traft mich mit dem Kinde zu Darun. Ihr wisst wohl aber nicht, dass
wenig Tage Zuvor, in Gath34
die Christen alle Juden Mit Weib und Kind ermordet hatten; wisst 3040 Wohl nicht, dass
unter diesen meine Frau Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich Befunden,35 die in meines Bruders Hause, Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt
Verbrennen36 müssen. KLOSTERBRUDER. Allgerechter! NATHAN.
Als Ihr kamt, hatt' ich
drei Tag' und Nächt' in Asch' Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. - Geweint?
Beiher37
mit Gott auch wohl gerechtet,38 Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht;
Der Christenheit den unversöhnlichsten 3050 Hass zugeschworen
- KLOSTERBRUDER. Ach! Ich glaub's Euch wohl! NATHAN. Doch
nun kam die Vernunft allmählich wieder. Sie sprach mit sanfter Stimm':
»und doch ist Gott! Doch war auch
Gottes Ratschluß das! Wohlan! Komm! übe, was du längst begriffen hast, Was sicherlich zu üben schwerer nicht, Als zu begreifen ist, wenn du nur willst. Steh auf!« - Ich stand! und rief zu Gott:
ich will! Willst du nur, dass ich will!39 - Indem stiegt Ihr Vom Pferd, und überreichtet mir das Kind, 3060 In Euern Mantel eingehüllt. - Was Ihr Mir damals sagtet; was ich Euch: hab ich Vergessen. Soviel weiß ich nur, ich nahm Das Kind, trug's auf mein Lager, küsst' es, warf Mich auf die Knie und schluchzte:
Gott! auf Sieben Doch nun schon Eines wieder! KLOSTERBRUDER.
Nathan! Nathan!
Ihr seid ein Christ! - Bei Gott, Ihr seid ein Christ! Ein bessrer Christ war nie! NATHAN.
Wohl uns! Denn
was Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir Zum Juden!
- Aber lasst uns länger nicht 3070 Einander nur
erweichen40.
Hier braucht's Tat! Und ob mich siebenfache Liebe schon Bald an dies einz'ge fremde Mädchen band, Ob der Gedanke mich schon tötet, dass Ich meine sieben Söhn' in ihr aufs neue Verlieren soll: - wenn sie von meinen Händen Die
Vorsicht41 wieder
fodert42, - ich gehorche! KLOSTERBRUDER. Nun vollends! - Eben das bedacht' ich mich So viel, Euch anzuraten! Und so hat's Euch Euer guter Geist schon angeraten! 3080 NATHAN.
Nur muss der erste beste mir sie nicht Entreißen wollen! KLOSTERBRUDER. Nein, gewiss nicht! NATHAN.
Wer Auf sie nicht größre Rechte hat, als ich, Muss frühere zum mind'sten haben - KLOSTERBRUDER.
Freilich! NATHAN. Die ihm Natur und Blut erteilen. KLOSTERBRUDER.
So Mein ich es auch! NATHAN.
Drum nennt mir nur geschwind Den Mann, der ihr als Bruder oder
Ohm43, Als Vetter oder sonst als
Sipp'44 verwandt: Ihm will ich sie nicht vorenthalten - Sie, Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde 3090 Zu sein erschaffen und erzogen ward. -
Ich hoff, Ihr wisst von diesem Euern Herrn Und dem Geschlechte dessen, mehr als ich. KLOSTERBRUDER. Das, guter Nathan, wohl nun schwerlich! - Denn Ihr habt ja schon gehört, dass ich nur gar
Zu kurze Zeit bei ihm gewesen. NATHAN.
Wisst Ihr denn nicht wenigstens, was für Geschlechts Die Mutter war? -
War sie nicht eine Stauffin? KLOSTERBRUDER. Wohl möglich! - Ja, mich dünkt. NATHAN. Hieß nicht
ihr Bruder Conrad von Stauffen?45 - und war Tempelherr? 3100 KLOSTERBRUDER. Wenn mich's nicht trügt. Doch halt! Da fällt mir ein, Dass ich vom sel'gen Herrn ein Büchelchen46 Noch hab. Ich zog's ihm aus dem
Busen47, als
Wir
ihn bei Askalon verscharrten. NATHAN.
Nun? KLOSTERBRUDER. Es sind Gebete drin. Wir nennen's ein
Brevier48.
- Das, dacht' ich, kann ein Christenmensch Ja wohl noch brauchen. - Ich nun freilich nicht -
Ich kann nicht lesen - NATHAN.
Tut nichts! - Nur zur Sache. KLOSTERBRUDER. In diesem Büchelchen stehn vorn und hinten, Wie ich mir sagen lassen, mit des Herrn 3110
Selbsteigner Hand49, die
Angehörigen Von ihm und ihr geschrieben. NATHAN.
O erwünscht! Geht! lauft! holt mir das Büchelchen. Geschwind! Ich bin bereit mit Gold es aufzuwiegen; Und tausend Dank dazu! Eilt! lauft! KLOSTERBRUDER.
Recht gern! Es ist Arabisch aber, was der Herr Hineingeschrieben.50(Ab.) NATHAN.51
Einerlei! Nur her! - Gott! wenn ich doch das Mädchen noch behalten, Und einen solchen
Eidam 52
mir damit Erkaufen könnte! - Schwerlich wohl! - Nun, fall' 3120 Es aus, wie's will! -
Wer mag es aber denn Gewesen sein, der bei dem Patriarchen So etwas angebracht? Das muss ich doch Zu fragen nicht vergessen. -
Wenn es gar Von Daja käme?
Dieses Werk (Nathan der Weise, von
Gotthold Ephraim Lessing), das durch
Gert Egle gekennzeichnet wurde, unterliegt keinen bekannten urheberrechtlichen Beschränkungen.
Worterläuterungen/Hinweise/Kommentar
1
ad
spectatores:
monologisches Beiseite (a
parte) 2
noch 3
greift nach seinem Geldbeutel, um dem vermeintlichen Bettelmönch eine
milde Gabe zu geben 4
h: Wiedergutmachung, Entschädigung
5
Einsiedler; ein Mensch, der sich aus religiösen Gründen ganz in die
Weltabgeschiedenheit zurückzieht
6
(arab. Karantel), Berg in Palästina, westlich oberhalb Jericho, schwer
zu ersteigen, mit sehr alten, teilweise noch heute bewohnten
Einsiedlerhöhlen; während der Kreuzzugszeit ging die Legende, wonach
Jesus Christus seine
Versuchung dort erlebte und sein 40tägiges Fasten durchführte;
7 »Jericho
= Stadt im Tal des Flusses »Jordan;
heute in den »Palästinensischen
Autonomiegebieten am Westufer des Jordan und ist mit ihrer Lage von
250 Meter unter dem Meeresspiegel die tiefstgelegene Stadt der Welt;
liegt etwa vier Kilometer von der »jordanischen
Grenze im Osten entfernt und etwa acht Kilometer vom südlich gelegenen »Toten
Meer 8
Behausung eines Einsiedlers, Klause
9
wo 10
Redensart:
auf Kohlen stehen/sitzen: gespannt, ungeduldig oder in Eile auf etwas
Wichtiges oder Dringliches warten;
11
Einsiedelei, Eremitei
12
»Berg
Tabor: Berg am Ostrand der »Jesreelebene
in »Galiläa
(Nordisrael); soll nach christlicher Überlieferung der Ort der »Verklärung
Jesu Christi gewesen sein.
13
in der katholischen Kirche »Ordensmänner,
welche keine »Priesterweihe
empfangen haben; Mitglieder einer »klerikalen
»Ordensgemeinschaft
(Priesterorden oder klerikale »Kongregation),
so leben sie mit den »Ordenspriestern
zusammen, können aber innerhalb der Ordensgemeinschaft in der Regel
keine leitenden Funktionen wahrnehmen; es gibt auch Ordensgemeinschaften
für Laienbrüder (laikale Kongregationen oder »Brüdergemeinschaft
genannt); dort können nicht geweihte Brüder auch als Vorgesetzte von
Priestern fungieren.
14
vgl. IV,2 V 2493ff.
15
vgl. IV,2 V 2599f.
16
schnellstmöglich, sofort
17
»Heiliger
Geist: (lat. Spiritus Sanctus),im
Christentum die dritte Person der göttlichen »Dreifaltigkeit
(Trinität); ist zwar Gott, stellt aber keine eigenständige Substanz
oder Gottheit dar; die Christen feiern an besonderen kirchlichen
Feiertagen, an »Pfingsten,
das Kommen des Heiligen Geistes; der Geist Gottes wird bereits im »Alten
Testament erwähnt, von daher ein Zusammenhang mit dem »hebräischen
Begriff rûah (Wind, Geist) im »Judentum
und dem »arabischen
rūḥ روح (Geist) im »Islam;
in anderen Religionen und Traditionen spielt der Heilige Geist keine
oder eine ganz andere Rolle.
18
erscheint, vorkommt als
19
religiöse Formel (Sünde wider/Den heil'gen Geist), die Sünden
bezeichnet, die nicht vergeben werden können; h: leicht ironisch gemeint
20
mir fällt ein
21
→Verwandtschaftsbeziehungen
der Figuren
22
Gazza = »Gaza
(Stadt), antike Hafenstadt in Südpalästina, die schon unter
verschiedenen ägyptischen Herrschern, unter dem Namen »Kanaan,
Verwaltungssitz gewesen ist; seit dem frühen 11. Jahrhundert v. Chr.
unter Kontrolle der »Israeliten;
am Ende der »Weihrauchstraße
gelegen, wurde die Stadt im 8. Jh. v. Chr. ein wichtiges regionales
Zentrum; ihre Stellung als Handelsmetropole ging nach dem Ende des
Reiches »Alexanders
des Großen (356-323 v. Chr.) (»Alexanderreich)
an »Alexandria
verloren; 98 v. Chr. vollständige Zerstörung der Stadt durch
»Alexander
Jannäus (um 126-76 v. Chr.); unter den »Römern
wird die Stadt etwas südlich des alten Stadthügels Mitte des 1. Jh. v.
Chr. neu aufgebaut und macht sich vor allem wegen ihrer Rednerschule
einen Namen; im 5. Jh. n. Chr. wurde die Stadt mehrheitlich von Christen
bewohnt, daneben gab es auch eine jüdische Gemeinde; im 7. Jh. n. Chr.
Eroberung der Stadt durch die Araber; 1100 von den »Kreuzrittern
unter »Balduin
I. (1058-1118), dem König von Jerusalem, erobert und in
Gadres umbenannt; die stark zerstörte Stadt wurde
unter »Balduin
III. (1130-1162) 1152 dem »Templerorden
übergeben, der daraus eine starke Festung machte; 1170 belagert »Saladin
(1137/38-1193) die Stadt erfolglos, die Festung fällt aber nach der
»Schlacht von
Hattin 1187 im Austausch gegen den in der Schlacht gefangen
genommenen Großmeister der Templer, »Gérard
de Ridefort (gest. 1189), kampflos an den Sultan; 1192 für kurze
Zeit noch einmal von den Kreuzrittern des »Dritten
Kreuzzugs
(1189-1192) unter »Richard
Löwenherz (1157-1199) besetzt, doch nach dem Friedensschluss von
1192 fällt sie wieder an Saladin zurück; vom 15. Jahrhundert an leben
viele Juden und Araber in der Stadt; im »Ersten
Weltkrieg (1914-1918) wird die Stadt, die sich zu diesem Zeitpunkt
unter türkischer Hoheit befindet, von den Briten erobert; nach dem
Ersten Weltkrieg gehört die Stadt, die dem umliegenden Küstenstreifen
ihren Namen gibt, zu dem britischen Protektorat über Palästina; von 1956
bis 1967 unter ägyptischer Verwaltung; im so genannten »Sechstagekrieg
(1967) zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn Besetzung des
gesamten Gaza-Streifens durch Israel bis zum Jahr 2005; danach Aufgabe
aller jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen, aber weiterhin Kontrolle
aller Luft- und Seeverbindungen durch Israel; heute (2014), in den Tagen
eines erneuten, lang anhaltenden Gaza-Krieges steht der Gaza-Streifen
unter Kontrolle der radikal-islamistischen
Hamas.
(→Gert Egle (2014): "Friede, das
ist so was von 90er!" - Lessings
"Nathan" in Zeiten von Hamas, Al-Qaida, Boko Haram und "Islamischem
Staat" - vgl. Karte: →Egle, Gert (2012): Saladin, der
edle Sarazene, und
der Kreuzfahrerstaat in Jerusalem)
23
lt.
Marin (1721 - 1809) ein fester an der
palästinensischen Grenze auf der Seite Ägyptens (Francois Louis Claude Marin, Geschichte Saladins Sulthans von
Egypten und Syrien, übersetzt von E.G. Küster, Celle 1761, Bd. II,
S.268)
24
blieb h: fiel, kam um, wurde getötet
25
»Aschkelon:
antike Hafenstadt, nördlich von Gaza-Stadt (vgl. Anm. 22);
die Stadt bleibt auch nach Gründung des »Königreichs
Jerusalem (1099) während des »Ersten
Kreuzzuges (1095-1099) noch lange unter der Herrschaft der
ägyptischen
Fatimiden, die zwar 1099 von den
Kreuzrittern unter »Gottfried
von Bouillon (um 1060-1100) in der »Schlacht
von Askalon besiegt worden waren; die Eroberung der Stadt gelingt
erst 1153 nach einer langen Belagerung (»Belagerung
von Askalon); eigentlich die Stadt sich im Austausch für den in der
»Schlacht von
Hattin 1187 von »Saladin
(1137/38-1193) gefangen genommenen König, »Guido
von Lusignon (gest. 1194), an Saladin fallen, aber ehe es soweit
kommt, ist die Stadt schon nach elftägiger Belagerung von Saladin
erobert; währen des »Dritten
Kreuzzugs
(1189-1192) wird die Stadt 1192 unter »Richard
Löwenherz (1157-1199) für das Königreich Jerusalem zurückerobert,
doch nach neun Monaten wird sie aufgrund der
Waffenstillstandsvereinbarungen mit Saladin an diesen zurückgegeben;
1239-1241 noch einmal von den Kreuzrittern besetzt und an den »Hospitaliterorden
übergeben; danach mehrfach zerstört und wiederaufgebaut, aber Verfall im
14. Jh. (vgl. Karte: →Egle, Gert (2012): Saladin, der
edle Sarazene, und
der Kreuzfahrerstaat in Jerusalem)
26
Nathan meint hier, dass er von Assad/Wolf von Filneck mehrfach das Leben
gerettet bekam, ggf. bei anderen von Christen begangenen Judenpogromen
wie dem in Gath, bei dem er seine ganze engere Familie verliert (vgl.
Anm. 34); in der Schlussszene
V,8 V 3785
bezeichnet Nathan Wolf von Filnek/Assad als seinen Freund
27
Redewendung: ist alles in Ordnung
28
leuchtet mir nicht ein
29
Anspielung
auf »Sagen,
in denen (ausgesetzte oder aufgefundene) Kinder von (wilden) Tieren in
der Wildnis aufgezogen wurden (z. B. »Romulus
und Remus) 30
Fürsprecher, Anwalt 31
fromme Heuchelei, christlicher Fanatismus
32
hier gemeint als fromme Einfachheit und Lauterkeit des Geistes und
Gemüts, das nicht von theologischen und religiös-dogmatischen
Grundsätzen geleitet ist, die Nathan in dem Klosterbruder verkörpert
sieht; später ähnlich auch der Tempelherr in
V,4 V 3349
33 →Motiv der
Gottergebenheit
34
»Gat
(auch Gath, Geth): mehrfach im »Alten
Testament erwähnt; soll sich auf dem Gebiet der »Philister
im »Elahtal
zwischen den Orten »Gaza
und »Asdod
befunden haben.
35
Wie der biblische »Hiob
verliert Nathan sieben Söhne(und seine Frau), wie Hiob liegt er drei
Tage in Asche und Staub, wie Hiob hadert er mit Gott, klagt und weint.
→zu weiteren Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen Nathans Denken und
Tun nach dem Judenpogrom und der Hiobgeschichte vgl.
Nathans Verarbeitung seiner Erlebnisse beim
Judenpogrom in Gath als Modell für Lessings
Konzept vom Glauben als innere Wahrheit und
als praktische Liebe
36
→Das→Motiv des
(Ver-)Brennens taucht an anderen Stellen des Dramas immer wieder
auf,
vgl. I,2 V 177,
I,6 V 773, - vgl. Anmerkung (1)
zu I,1 V 13 ,
I,2 V 177, (→Vorgeschichte)
37
dabei, währenddessen, nebenher
38
über Gott gerichtet, mit Gott abgerechnet
39
→Motiv der Gottergebenheit
40
erweichen h: (zu Tränen) rühren
41
göttliche Vorsehung 42
fordert 43 Oheim,
Onkel 44
Verwandter
45
→Verwandtschaftsbeziehungen
der Figuren
46
kleines Buch, Büchlein, Brevier
47 h:
aus der Brustbekleidung 48
Gebetbuch mit einer kleinen Gebetssammlung und einer Auswahl von Zitaten
49
eigenhändig geschrieben, in der Originalhandschrift geschrieben, von
eigener Hand geschrieben
50
Hinweis auf die arabische Herkunft Wolf von Filnecks/Assads
51
ad
spectatores:
monologisches Beiseite (a
parte) 52
Schwiegersohn
Textauswahl
-
IV,1
- Die zweite Begegnung von Tempelherr und Klosterbruder
-
IV,2
- Der Tempelherr beim Patriarchen
-
IV,3 - Saladin und Sittah warten auf den Tempelherrn
-
IV,4
-
Der Tempelherr bringt vor Saladin seine Klage
gegen Nathan vor
-
IV,5
-
Saladin und Sittah sprechen über die Klage
des Tempelherrn
-
IV,6
-
Nathan wird von Daja unter Druck gesetzt, der
Heirat zuzustimmen
-
IV,8
-
Daja versichert Nathan, ihn nicht beim
Patriarchen angezeigt zu haben und berichtet,
Recha sei zu Sittah geholt worden
▪
Gesamttext (Recherche-/Leseversion
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
05.05.2021
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