Die
Handlung der
Szene
I,3 (3. Auftritt) im
1. Akt von
Lessings
Drama »Nathan der Weise« spielt in
einem Flur in Nathans Haus. (Handlungsort).
Nathan erfährt von seinem alten
Freund Al-Hafi, einem Bettelmönch,
der ganz unvermutet in prachtvoller Kleidung erscheint, dass er
Schatzmeister (Defterdar) des
Saladins
geworden ist. Als Bettelmönch habe er der Bitte des Sultans
entsprechen müssen, rechtfertigt er sich, muss sich aber dann von
Nathan die prinzipiell vorhandene menschliche Entscheidungsfreiheit
vorhalten lassen: "Kein Mensch muss müssen". Al-Hafi will
Nathan dazu bewegen, Saladins leere Kassen mit einem Kredit zu
füllen. Doch auch sein Hinweis auf Saladins Freigiebigkeit kann
Nathan nicht dazu bringen. Denn dieser weiß klug zwischen der ihm
freundschaftlich verbundenen Privatperson Al-Hafi und seiner Rolle
als Schatzmeister Saladins zu unterscheiden. Was er jenem ohne
weitere Bedenken gewähren würde, gelte aber nicht für diesen.
Al-Hafi, der aus seiner eigenen Motivation für die Übernahme des
Schatzmeisteramts letztlich doch keinen Hehl macht, nämlich einmal
"den reichen Mann mit Bettlern spielen" zu können, räumt
ein, dass er sich durch das Angebot des Sultans geschmeichelt
gefühlt habe. Zugleich sieht er sich jedoch auch in einem Dilemma:
Er weiß nämlich, dass - selbst bei vollen Kassen - jede
Mildtätigkeit und Freigiebigkeit, Grenzen findet, "gut"
zu sein und zu handeln, nur in Einzelfällen gelingen kann. Nathan,
der die Zwangslage, in der sich sein Freund Al-Hafi befindet,
erkennt, rät ihm daher, sein Bettelmönchdasein wieder aufzunehmen,
denn er befürchtet, dass Al-Hafi "grad' unter Menschen [...]
ein Mensch zu sein verlernen" könnte.
I,2
< I,3 >
I,4
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
22.04.2021
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