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Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803)

Dem Allgegenwärtigen (1758)

Lyrische Texte

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren [ Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) Lyrische Texte ] ...   Schreibformen
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Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803)
Dem Allgegenwärtigen (1758)

 

 

Da du mit dem Tode gerungen, mit dem Tode,

 

Heftiger du gebetet hattest,

 

Da dein Schweiß und dein Blut

 

Auf die Erde geronnen war;

   

5

In dieser ernsten Stunde

 

Thatest du jene große Wahrheit kund,

 

Die Wahrheit sein wird

 

So lang die Hülle der ewigen Seele Staub ist

 
     

 

Du standest, und sprachst

10

Zu den Schlafenden:

 

Willig ist eure Seele,

 

Aber das Fleisch ist schwach!

   

 

Dieser Endlichkeit Loos, die Schwere der Erde

 

Fühlet auch meine Seele,

15

Wenn sie zu Gott, zu dem Unendlichen

 

Sich erheben will

 
     

 

Anbetend, Vater, sink' ich in den Staub, und fleh,

 

Vernimm mein Flehn, die Stimme des Endlichen,

 

Gib  meiner Seel' ihr wahres Leben,

20

dass sie zu dir sich, zu dir erhebe!

   

 

Allgegenwärtig, Vater,

 

Schließest du mich ein!

 

Steh hier, Betrachtung, still, und forsche

 

Diesem Gedanken der Wonne nach

 
     

25

Was wird das Anschaun sein, wenn der Gedank' an dich,

 

Allgegenwärtiger! schon Kräfte jener Welt hat!

 

Was wird es sein dein Anschaun,

 

Unendlicher! o du Unendlicher!

   

 

Das sah kein Auge, das hörte kein Ohr,

30

Das kam in keines Herz, wie sehr es auch rang,

 

Wie es auch nach Gott, nach Gott,

 

Nach dem Unendlichen dürstete;

   

 

Kam es doch in keines Menschen Herz,

 

Nicht in das Herz deß, welcher Sünder

35

Und Erd', und bald ein Toter ist,

 

Was denen Gott, die ihn lieben, bereitet hat

 
     

 

Wenige nur, ach wenige sind,

 

Deren Aug' in der Schöpfung

 

Den Schöpfer sieht! wenige, deren Ohr

40

Ihn in dem mächtigen Rauschen des Sturmwinds hört,

   

 

Im Donner, der rollt, oder im lispelnden Bache,

 

Unerschafner! dich vernimmt,

 

Weniger Herzen erfüllt, mit Ehrfurcht und Schauer,

 

Gottes Allgegenwart!

   

 

las mich im Heiligtume

 

Dich, Allgegenwärtiger,

45

Stets suchen, und finden! und ist

 

Er mir entflohn, dieser Gedanke der Ewigkeit;

   

 

lass mich ihn tiefanbetend

 

Von den Chören der Seraphim,

 

Ihn, mit lauten Tränen der Freude,

50

Herunter rufen!

   

 

Damit ich, dich zu schaun,

 

Mich bereite, mich weihe,

 

Dich zu schaun

 

In dem Allerheiligsten!

   

55

Ich hebe mein Aug' auf, und seh,

 

Und siehe der Herr ist überall!

 

Erd', aus deren Staube

 

Der erste der Menschen geschaffen ward;

   

 

Auf der ich mein erstes Leben lebe,

60

In der ich verwesen werde,

 

Und auferstehen aus der!

 

Gott würdigt auch dich, dir gegenwärtig zu sein

 
     

 

Mit heiligem Schauer,

 

Brech' ich die Blum' ab;

65

Gott machte sie,

 

Gott ist, wo die Blum' ist

 
     

 

Mit heiligem Schauer, fühl' ich der Lüfte Wehn,

 

Hör' ich ihr Rauschen! es hieß sie wehn und rauschen

 

Der Ewige! Der Ewige

70

Ist, wo sie säuseln, und wo der Donnersturm die Zeder stürzt

 
     

 

Freue dich deines Todes, o Leib!

 

Wo du verwesen wirst,

 

Wird Er sein,

 

Der Ewige!

   

75

Freue dich deines Todes, o Leib! in den Tiefen der Schöpfung,

 

In den Höhn der Schöpfung, wird deine Trümmer verwehn!

 

Auch dort, verwester, verstäubter, wird Er sein,

 

Der Ewige!

   

 

Die Höhen werden sich bücken!

80

Die Tiefen sich bücken,

 

Wenn der Allgegenwärtige nun

 

Wieder aus Staub' Unsterbliche schafft

 
     

 

Werfet die Palmen, Vollendete! nieder, und die Kronen!

 

Halleluja dem Schaffenden,

85

Dem Tötenden Halleluja!

 

Halleluja dem Schaffenden!

   

 

Ich hebe mein Aug' auf, und seh,

 

Und siehe der Herr ist überall!

 

Sonnen, euch, und o Erden, euch Monde der Erden,

90

Erfüllet, rings um mich, des Unendlichen Gegenwart!

   

 

Nacht der Welten, wie wir in dem dunkeln Worte schaun

 

Den, der ewig ist!

 

So schaun wir in dir, geheimnisvolle Nacht,

 

Den, der ewig ist!

   

95

Hier steh ich Erde! was ist mein Leib,

 

Gegen diese selbst den Engeln unzählbare Welten,

 

Was sind diese selbst den Engeln unzählbare Welten,

 

Gegen meine Seele!

   

 

Ihr, der unsterblichen, ihr, der erlösten

100

Bist du näher, als den Welten!

 

Denn sie denken, sie fühlen

 

Deine Gegenwart nicht

 
     

 

Mit stillem Ernste dank' ich dir,

 

Wenn ich sie denke!

105

Mit Freudentränen, mit namloser Wonne,

 

Dank' ich, o Vater! dir, wenn ich sie fühle!

   

 

Augenblicke deiner Erbarmungen,

 

O Vater, sinds, wenn du das himmelvolle Gefühl

 

Deiner Allgegenwart

110

Mir in die Seele strömst

 
     

 

Ein solcher Augenblick,

 

Allgegenwärtiger,

 

Ist ein Jahrhundert

 

Voll Seligkeit!

   

115

Meine Seele dürstet!

 

Wie nach der Auferstehung verdorrtes Gebein,

 

So dürstet meine Seele

 

Nach diesen Augenblicken deiner Erbarmungen!

   

 

Ich liege vor dir auf meinem Angesicht;

120

O läg' ich, Vater, noch tiefer vor dir,

 

Gebückt in dem Staube

 

Der untersten der Welten!

   

 

Du denkst, du empfindest,

 

O du, die sein wird,

125

Die höher denken,

 

Die seliger wird empfinden!

   

 

O die du anschaun wirst!

 

Durch wen, o meine Seele?

 

Durch den, unsterbliche,

130

Der war! und der ist! und der sein wird!

   

 

Du, den Worte nicht nennen,

 

Deine noch ungeschaute Gegenwart

 

Erleucht', und erhebe jeden meiner Gedanken!

 

Leit ihn, Unerschafner, zu dir!

   

135

Deiner Gottheit Gegenwart

 

Entflamm', und beflügle

 

Jede meiner Empfindungen!

 

Leite sie, Unerschafner, zu dir!

   

 

Wer bin ich, o Erster!

140

Und wer bist du!

 

Stärke, kräftige, gründe mich,

 

dass ich auf ewig dein sexy!

   

 

Ohn' ihn, der mich gelehrt, sich geopfert hat

 

Für mich, könnt' ich nicht dein sein!

145

Ohn' ihn wär der Gedanke deiner Gegenwart

 

Grauen mir vor dem allmächtigen Unbekanten!

   

 

Erd' und Himmel vergehn;

 

Deine Verheißungen, Göttlicher, nicht!

 

Von dem ersten Gefallenen an

150

Bis zu dem letzten Erlösten,

   

 

Den die Posaune der Auferstehung

 

Wandeln wird,

 

Bist bei den Deinen du gewesen!

 

Wirst du bei den Deinen sein!

   

155

In die Wunden deiner Hände legt' ich meine Finger nicht;

 

In die Wunde deiner Seite

 

Legt' ich meine Hand nicht;

 

Aber du bist mein Herr, und mein Gott!

(aus: Projekt Gutenberg, in der Rechtschreibung modernisiert)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 28.03.2024

 
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