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Franz Kafka
Franz Kafkas Eltern,
• Hermann Kafka (1852–1931) und
• Julie Löwy
(1856–1934), entstammten bürgerlichen jüdischen Kaufmannsfamilien.
Der Familienname lässt sich etymologisch vom Namen der Dohle,
tschechisch kavka, polnisch kawka, ableiten.
Der Vater stammte aus
dem Dorf Wosek in Südböhmen, wo er in bescheidenen Verhältnissen
aufwuchs. In seiner Kindheit war er dazu verpflichtet, die Waren
seines Vaters, des Schächters Jakob Kafka (1814–1889), in die
umliegenden Dörfer zu liefern. In der Folge war er als reisender
Vertreter tätig, bevor er sich als selbstständiger Großhändler für
Galanteriewaren in Prag etablierte. Julie Kafka entstammte einer
wohlhabenden Familie aus Podiebrad und verfügte über eine
umfassendere Bildung als ihr Ehemann. Des Weiteren war sie an den
unternehmerischen Entscheidungen ihres Ehepartners beteiligt und
arbeitete täglich bis zu zwölf Stunden in dessen Unternehmen.
Neben den Brüdern Georg und Heinrich, die bereits als Kleinkinder
verstarben, hatte •
Franz Kafka (1883-1924) drei Schwestern: Gabriele, genannt
»Elli
(1889-1942, ermordet im »Vernichtungslager
Kulmhof)., Valerie, genannt »Valli
(1890-1942, ermordet im »Vernichtungslager
Kulmhof), und Ottilie, genannt
»Ottla (1892-1943, ermordet im
»KZ
Auschwitz-Birkenau). Familie lebte in der aufstrebenden Metropole Prag,
wo sie entsprechend ihres sozialen Aufstiegs häufig ihre Wohnung
wechselte.
Aufgrund der
Abwesenheit der Eltern während des Tages erfolgte die Betreuung der
Geschwister überwiegend durch weibliches Dienstpersonal, das in
regelmäßigen Abständen wechselte.
In der Familie
herrschten aus unterschiedlichen Gründen immer wieder Spannungen,
besonders zwischen den Kindern und ihrem Vater Hermann. Dieser ist zwar
wohl nicht jener Tyrann gewesen, wie er lange Zeit gesehen
wurde, aber doch durch die Art und Weise, wie er in der Familie im
Umgang mit den Kindern, allen voran mit seinem Sohn Franz,
aber auch mit Elli und Ottla, seine paternalisch-patriarchalische
Rolle ausfüllte und auslebte, trug er doch maßgeblich zu dem immer wieder
bedrückenden Klima bei, das in der Familie herrschte.
Allerdings hing bei
den Kafkas der Haussegen keineswegs immer schief. Vor allem, wenn
der Vater, der den Kindern bei Tisch Redeverbot erteilte, mal abends
nicht beim gemeinsamen Essen dabei war, dürfte es mit allerlei
flapsigen und ironischen Bemerkungen, die besonders Franz so liebte, ausgesprochen laut
und fröhlich zugegangen sein. Aber auch der
Familienpatron • Hermann Kafka (1852–1931) selbst konnte durchaus auch einmal
Humor zeigen. Nur alberne Späße konnte er wohl nicht ertragen.
Für Alena
Wagnerová
(22002, S.10) "(waren) Hermann Kafkas (im Grunde
genommen) Schimpftiraden und Zornausbrüche ungefährlich und hatten
in der Regel auch keine Konsequenzen. Es war seine Art, sich mit der
Welt um sich herum, den Ereignissen im Kreise der Familie sowie im
politischen und gesellschaftlichen Leben auseinanderzusetzen, sie zu
bewältigen."
So habe er über die
Tschechen genauso wie über die Deutschen oder die Juden geschimpft,
über die Verwandtschaft mit den gleichen nicht gesuchten Worten wie
über die Familienmitglieder, das Personal im Geschäft oder die
Dienstboten zu Hause. Offensichtlich hat Hermann Kafka auch seine
Kinder recht oft beschimpft, aber kaum je geschlagen - dies bezeugt
jedenfalls sein Sohn im Brief an den Vater. Letztlich war er ihnen
gegenüber recht großzügig. Wenn auch Hermann Kafka im wahren Sinne
des Wortes kein Haustyrann war - er war wortgewaltig, aber nicht
gewalttätig -, so übten sein ewiges Nörgeln und seine Wutausbrüche
auf die Familie doch Druck aus und bedeuteten für sie eine nicht
unerhebliche Belastung. Sie weckten Ängste, und auch dann, wenn man
sich daran gewöhnt hatte, waren sie unangenehm. Sie bildeten eine
unsichtbare Barriere, die sich jeder Aktivität, jeder Neuigkeit in
den Weg stellte. »Wird der Vater nicht schimpfen?« war die erste
Reaktion der Kinder, wenn sich in der Familie etwas Unvorhersehbares
ereignete oder jemand etwas Neues wollte. Und man versuchte
natürlich manches hinter seinem Rücken zu machen. Die Leidtragende
war dann oft die Mutter. Andererseits stärkte wiederum das
»Hindernis Vater« die Solidarität der Geschwister untereinander.
Die
gesellschaftlichen Kontakte der Eltern beschränkten sich im
Allgemeinen auf die Angehörigen der eigenen sehr weitverzweigten
Verwandtschaft und ein paar wenige Geschäftsfreunde Hermann Kafkas.
Die regelmäßige Pflege der verwandtschaftlichen Beziehungen bei
Geburtstagen und sonntäglichen gegenseitigen Besuchen gründete dabei
auf der jüdischen Tradition, im Zusammenhalt der Familie sich in
ihrem immer wieder durch antisemitische Übergriffe gekennzeichneten
Leben gegenseitig einen gewissen Schutz zu geben. Möglicherweise war
dies auch ein Grund dafür, dass Franz Kafka bis zum Alter von 31
Jahren, als er nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges im Juli 1914 und
der Rückkehr der inzwischen verheirateten Schwester »Elli
(1889-1942) mit ihren beiden Kindern ins Elternhaus notgedrungen sein
Zimmer räumte und zunächst bei seiner seit 1913 verheirateten
Schwester »Ottla (1892-1943)
unterkommt. In seinem weiteren Leben kehrte Franz, insbesondere
zwischen seinen oft sehr langen Kuraufenthalten wegen verschiedener
Krankheiten (Spanische Grippe, Tuberkulose) aber immer wieder wieder
für längere Zeit in sein Elternhaus zurück.
Ab ungefähr 1900
zog es die Familie Kafka in den Sommermonaten zur gemeinsamen
Erholung zunächst in Orten in der näheren Umgebung von Prag, dann
mit wachsendem Wohlstand auch mal etwas weiter weg ins Ausland bis
an nach Norderney in der Nordsee, wo man sich mit anderen Verwandten
traf. Später reisten Julie und Hermann Kafka jahrelang zum Urlaub in
den Kurort Franzensbad, was den üblichen Gepflogenheiten im
Bürgertum entsprach.
Den ersten
Weltkrieg (1914-1919) hat der Kafka-Clan vergleichsweise gut
überstanden. Im engeren Familienkreis waren jedenfalls keine Opfer
zu beklagen. Die beiden Männer der Töchter »Elli
(1889-1942) und »Valli
(1890-1942) wurden 1919 aus der Armee wieder in das
Zivilleben entlassen und auch »Ottlas (1892-1943)
zukünftiger Ehemann, einem christlichen Tschechen, mit dem sie schon
seit 1912 ohne Wissen ihrer Eltern zusammen war, kehrte im gleichen
Jahr nach Hause zurück. Nachdem Ottla darauf ihre Eltern erstmals
über ihre Beziehung zu Josef David informierte, waren die beiden von
dem andersgläubigen Tschechen nicht angetan, müssen aber ihre
Hochzeit im Juli 1920 mehr oder weniger zähnekirschend akzeptieren.
1918 verkaufte der
inzwischen schwer herzkranke • Hermann Kafka (1852–1931)sein Geschäft und erwarb
mit dem Verlauferlös ein großes, um die Jahrhundertwende erbautes
Mietshaus in der Prager Bílekgasse 4. In dieses Haus zogen dann nach
und etliche Mitglieder der Familie, darunter auch die Tochter Elli
mit ihrer Familie. Hermann und Julie Kafka wohnten aber weiterhin in
ihrer geräumigen Wohnung am Altstädter Ring.
Die
Kindheitsentwicklung von Frantz Kafka stand unter keinem günstigen
Stern. Der Tod seiner ihm nachfolgenden Brüder im Kindesalter Georg
(1885-87) und Heinrich (1887/88) als er selbst gerade mal vier bzw.
fünf Jahre alt war, belastete die vor allem die Mutter sehr und
führte während dieser Zeit dazu, dass sich deren Aufmerksamkeit vor
allem ihren kranken Kindern zuwandte, während der kleine Franz, der
tagsüber, während beide Elternteile bis von morgens bis abends im
Galanteriewarengeschäft des Vaters arbeiteten, ohnehin der Obhut
wechselnder Dienstmädchen anvertraut. Auch wenn es ihm materiell
wohl an nichts fehlte, fühlte er sich wohl von seiner Mutter
vernachlässigt und von seinem überstrengen Vater, dem mit ihm der
einzige Stammhalter verblieben war, stets überfordert. Als seine
drei Schwestern »Elli
(1889-1942), »Valli
(1890-1942) und »Ottla (1892-1943)
innerhalb weniger Jahre die Familie vergrößern, ist Franz schon aus
dem Kleinkindalter heraus und nimmt ihnen gegenüber die Rolle des
"großen" Bruders ein. Was er von ihnen als Anerkennung erfuhr, blieb
ihm vor allem von Seiten seines Vaters, versagt, in dessen
Männlichkeitsbild der oftmals kränkelnde, scheu und ängstlich
auftretende kleine Junge nicht passte. Hermann Kafka ließ ihn dies
immer wieder spüren.
Im Grunde kann man,
mit Beicken
(1986, S.18), von einer "verfehlten, unheilvollen
Eltern-Kind-Beziehung" sprechen. Dabei liege die Schuld nicht
einseitig bei den Eltern. Verantwortlich sei eher "die
eigentümliche Mischung aus menschlicher Unzulänglichkeit der Eltern,
ihrem gleichsam automatisch ausgeübten Rollenverhalten und der
Empfindsamkeit des Sohnes, die für Franz Kafka so verheerende Folgen
gehabt habe.( vgl.
ebd.)
Selbstredend "litt" Franz Kafka ,
wie Alena
Wagnerová (22002, S.10) formuliert, "an seiner
Familie, doch litt die Familie andererseits auch an ihm. Hatte er
sich gerade in dem, was ihm im Leben das Wichtigste war, dem
Schreiben unverstanden gefühlt, so mußten doch wiederum seine Eltern
und insbesondere der Vater seine Weigerung, die mittelständischen
Vorstellungen vom gesellschaftlichen Aufstieg und Erfolg zu
erfüllen, als eine Enttäuschung erleben."
Die
besondere Ausprägung der Eltern-Kind-Beziehung, die die Familie
Kafka von kennzeichnet, hat auf die Entwicklung aller Kinder,
insbesondere aber auf
Franz Kafka eine große Bedeutung. In seinem •
Brief
an den Vater, den er im Alter von 32 Jahren schreibt, aber
niemals seinem Vater übergibt, hat der die Beziehung zu seinem Vater
lang und breit thematisiert. Seine Grundgedanken, die er darin
äußert, lassen sich mit folgender Strukturskizze veranschaulichen.
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größere Ansicht bitte anklicken!
Die obige Darstellung folgt den Ausführungen von Peter Beicken
(1986, S. 17f.), der zugleich
betont, dass "Kafkas Eltern keine aus den Normen ihrer sozialen Schicht herausfallenden Extrembeispiele" gewesen seien.
Dafür sprächen die im Allgemeinen normal verlaufenden Entwicklung seiner
Schwestern.
Bei Franz aber, dem
ältesten Sohn, hätten die elterlichen Erziehungsmethoden vor allem
deshalb versagt, "weil sie in jeder Hinsicht ungeeignet waren für dieses
Kind mit seinen besonderen Anlagen und Bedürfnissen, von der
hochempfindlichen Natur Franz Kafkas abgesehen."
Beicken
(1986, S. 36f.) resümiert über die Kindheitsentwicklung Franz
Kafkas:
"ein überaus ängstlicher, scheuer, schamhafter Mensch, der schnell
verlegen, unsicher und befangen reagiert, der kontaktarm und isoliert
seinen schwächlichen, rheumatischen Körper akzeptieren muss,
ausgeliefert einer Welt, der er sich hilflos und verwirrt gegenüber
fühlt, auf die er dennoch mit Beobachtungsgabe, sensibel, empfindsam und
sogar empfindlich zu antworten weiß, soweit seine Beziehungsängste,
seine Gefühle der Minderwertigkeit, der Nichtigkeit, der Schuld es
zulassen. Das deutliche Bewusstsein seiner Schwächen,
Unzulänglichkeiten, der wirklichen und eingebildeten, und die
Gewissheit, völlig unfähig zu sein, allgemeinen Erwartungen und
Ansprüchen seinem Gesellschaftsmilieu entsprechend normengerecht genügen
zu können, lassen in Kafka kein Ichgefühl, Stärkebewusstsein,
Selbstvertrauen aufkommen. Selbst körperliche Gebrechen,
Verdauungsbeschwerden, Rheumatismus, Schlaflosigkeit,
Lärmempfindlichkeit, Angst vor Mäusen, Nervenerkrankungen, Hypochondrie,
die Furcht vor einer Rückgratsverkrümmung, selbst die
Entwicklungsstörungen, sexuellen Probleme und Rückstände kindlicher
Verhaltensweisen bis hin zum unverhältnismäßig knabenhaften Aussehen im
Erwachsenenalter" Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.10.2024
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