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Den Text bei der Textinterpretation zusammenfassen
Bei einer
Textinterpretation wird in der Regel der Text so zusammenfasst, dass er
den Inhalt, so wie er sich für den jeweiligen Schreiber darstellt, dem Leser
verfügbar und gleichzeitig dem Schreiber als Folie für seine eigenen
deutenden Ausführungen dienen kann.
Diese Zusammenfassung kann in einer
vorgestellten Inhaltsangabe erfolgen, wobei die Interpretation dann im
Aufbau dem ▪
Blockprinzip folgt.
Inhaltlich zusammenfassende Passagen können
aber auch in den eigenen Text eingebaut werden, um im Anschluss daran oder
in unmittelbarer Verknüpfung miteinander, die eigenen Deutungsaussagen zu
belegen. In einem solchen Fall folgt der Aufbau des Interpretationsaufsatzes
dem Reißverschlussprinzip.
Die inhaltliche
▪
Zusammenfassung eines Textes kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen,
wobei noch grundsätzlich anzumerken ist, dass auch das Zusammenfassen nicht
Ergebnis einer "objektiven" Sicht auf den Text darstellt, sondern stets auch
ein Konstrukt des jeweiligen Schreibers darstellt.
Die Form der
Zusammenfassung kann dabei von geforderten bestimmten
Textmustern
abhängen wie z. B. die beiden Schreibformen ▪
Inhaltsangabe und
▪
Abstract, die in der Schule bestimmten
Textmustern folgen müssen. Das Zusammenfassen selbst, also die den Primärtext
wiedergebende
Rekapitulation, bewegt sich dabei stets zwischen Paraphrase und
Textbeschreibung.
-
Der Begriff
Paraphrase bezeichnet dabei im allgemeinen Sprachgebrauch
die verdeutlichende Umschreibung oder Wiedergabe eines Textes im mehr oder
weniger gleichen Sprachstil.
-
In
▪
sprechakttheoretischer Perspektive stellt
sie einen
Mitteilungsakt
dar, bei dem der Sprecher
die Bedeutung einer Äußerung oder einen Teil einer Äußerung
in
einer anderen sprachlichen Form wiedergibt. (vgl.
Engel, 1996, S.41).
Das
Paraphrasieren eines Textes darf indessen nicht nur zum
sinngemäßen Zitieren eines Textes führen, wenngleich die
Trennlinie da oft nicht sonderlich klar gezogen werden kann.
Um das zu
vermeiden sollte die Wiedergabe des Textes in Form einer Paraphrase stets
zur
Erläuterung und Erweiterung des Ausgangstextes dienen und im Dienst der
Herstellung eines besseren
Textverständnisses stehen.
Beispiel
Das nachfolgende Beispiel - es stammt von Ulrich
Gaier (1969/1977)
zeigt wie eine derartige Textwiedergabe am Beispiel von Kafkas Parabel
▪
Der
Aufbruch aussehen
könnte:
"Zunächst handelt dieser Mann nicht normal. Er versteht einen
sinnvollen Befehl nicht, so dass sein Herr selbst zum Stall geht und das
Pferd sattelt. Der Herr hört den Klang einer Trompete; der Diener hört
ihn nicht. Im ersten Teil der Geschichte fragt der Herr normal und der
Diener antwortet unnormal. Diese Verbindung hat den Effekt einer
Verfremdung der Situation für den Leser, indem sie ihn darüber unsicher
macht, ob die handelnden Personen normal sind. In diesem ersten Teil der
Geschichte tendiert der Leser sehr dahin, anzunehmen, der Diener handele
unnormal; aber er bleibt im Ungewissen über den Herrn, denn es ist - ein
normales Verhältnis zwischen Diener und Herr vorausgesetzt - seltsam,
dass der Herr solch einen Diener behält und willig dessen Pflichten
übernimmt.
Im zweiten Teil jedoch handelt der Diener plötzlich normal. Er hält
seinen Herrn an, um ihn über die Reise und die Verpflegung zu befragen.
Aber jetzt gibt der Herr seltsame Antworten. Er weiß nicht, wohin er
reitet, aber er hat ein Ziel. Er ist für eine lange Reise vorbereitet,
aber er nimmt keine Ausrüstung mit. Er kennt die Möglichkeit des
Verhungerns, aber er ist glücklich über die Länge und Furchtbarkeit der
Reise. Während der Leser zuerst überzeugt war, dass der Diener unnormal
handele; und er den Herrn nicht nur verdächtigte, ist es jetzt der Herr,
der mehr und mehr sich ungewöhnlich benimmt. Der Diener dagegen erreicht
allmählich wieder ein normales Verhalten, indem er vernünftige Fragen
stellt. Der Verdacht gegen den Herrn, der indirekt im ersten Teil
entstand, wird verstärkt, während der Leser umgekehrt vorbereitet wird,
,den Diener für sein ungewöhnliches Verhalten zu Beginn zu
entschuldigen. So wird die Haltung des Lesers den zwei Personen des
Stückes gegenüber umgedreht: was unnormal ist, wird normal, was normal
ist, wird fremd und paradox. Das Bewusstsein des Lesers wird so
gezwungen, genau nachzuvollziehen, was die Geschichte darstellt: einen
Bruch, einen Wechsel von der Sicherheit zur Ungewissheit.[…]
Die Entwicklung des Herrn wird so dargestellt, dass er mit allen
Verbindungen und Beziehungen bricht: es wird deutlich, dass es nicht nur
eine Angelegenheit des Besitzes, der Verpflegung und der Sicherheit ist,
sondern dass diese Abreise der Ausdruck eines Bruches mit menschlichen
Verhältnissen darstellt. Indem der Herr die Arbeit des Knechtes
ausführt, wird schon angedeutet, dass die Herr Knecht Beziehung für ihn
nicht mehr existiert; seine Unfähigkeit, seine Absicht mitzuteilen,
zeigt, dass er innerlich schon das normale menschliche Verhalten hinter
sich gelassen hat. Seine Abreise ist radikal. Sie schreitet von außen
nach innen fort, vom Besitz zu den menschlichen Beziehungen. […]"
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
13.03.2024
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