Zunächst scheint sie das als eine typisch männliche Eigenart zu
betrachten, denn wie als anthropologische Konstante formuliert,
erscheint ihr Gedanke, nicht über die "Unbeschreibliche männliche
Unfähigkeit, einen verlässlichen Zeitsinn zu entwickeln" mit Franz reden
zu wollen.
Aus diesem Grunde übergeht sie in dem Gespräch im Winter auch, dass er
sich wieder - und zwar wieder um das Doppelte im Vergleich zu ihrer
Zeitwahrnehmung - verschätzt.
Der nächste Gesprächsabschnitt - im Frühjahr - verläuft, ohne dass Franz
offensichtlich eine Äußerung über die bereits verstrichene Zeit macht.
Stattdessen nimmt die Ich-Erzählerin an, dass nach seiner
Zeitwahrnehmung schon eineinhalb Jahre vergangen sein mussten.
Die Ich-Erzählerin erinnert sich daraufhin selbst an eine Äußerung von
Franz, der "am Anfang" zu ihr gesagt habe, sie gebe dem Kern zu wenig zu
trinken. Im Gegensatz zu ihrer sonstigen Darstellung benutzt sie dafür
eine nur zeitlich relative, nicht aber absolu-te zeitliche Größe.
Ebenso - nach der zeitlichen Einordnung in die Zeit nach dem Winter -
erzählt sie, dass Franz "in einer Stunde der Fürsorglichkeit" behauptet
habe, sie gebe dem Mangokern zuviel Wasser. In diesem Gespräch aber
"irrt" er sich bei seiner Zeitwahrnehmung nach Ansicht der
Ich-Erzählerin zum ersten Mal so grundlegend, dass sie hinter dieser
männlich entschuldbaren "Unfähigkeit, einen verlässlichen Zeitsinn zu
entfalten", zum ersten Mal eine klare persönliche Beziehungsaussage
wahrnimmt. Sie muss über seinen "Fehler" lachen und wird gleichzeitig
von Trauer überwältigt. Gleichzeitig gelangt sie auch zur
Selbsterkenntnis, dass sie den Mut verloren habe, ihre Äußerung zu
wiederholen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.03.2024