Rudolf Knauf (1969,
S.14f.) sieht in dem Gedicht eine Klage, worauf schon der Titel des
Gedichts verweise. Beweint würden lauter
Verwüstungen, die der Krieg in 18 Jahren (vgl. V. 10) angerichtet habe.
Der Hinweis auf die Kriegsdauer von 18 Jahren verweist auf die
Überschrift "Anno 1636" zurück.
Schon der erste Vers
bringe dabei zum Ausdruck, was auch die nachfolgenden verdeutlichten: "dass der Krieg in einem doppelten Sinne verheert ist. Seine
zerstörerische Gewalt hat einerseits das Land in ein Chaos verwandelt
(»Wir sind doch nunmehr ganz ... verheeret«), andererseits – »was ärger
als der Tod« (V. 12) – viele Menschen um ihren Glauben gebracht (»Wir sind
... mehr denn ganz verheeret«)." (ebd.)
Auf dieser Grundlage
sei die Aussage der zweiten Halbzeile
des ersten Verses nicht als eine rhetorische Wiederholung
zu verstehen, sondern stelle eine Steigerung dar, was auch in der
gedanklichen Bewegung des Gedichtes sichtbar werde.
Die ersten drei
Strophen häufen in etlichen Bildern die Gräuel des Krieges an.
Im ersten Quartett zählen
sie auf, was zum
Kriegshandwerk (des 17. Jh.) gehört: "Völker" (= Kriegsvolk, Soldaten),
die zum Angriff blasende "Posaune" (offensichtlich in Anlehnung an Joh.
Offenbarung 8.9,11), "Schwert" und "Kartaun" (Kanone). Die
charakterisierenden Attribute "rasend", "vom Blut fett", "donnernd" geben
den Bildern etwas Wirklichkeitsfernes, Visionäres. Die oben erwähnten
Sinnbilder des Krieges stehen im Kontrast zu Sinnbildern des Friedens:
"Schweiß" (Arbeit), "Fleiß und Vorrat" (V. 4)."
(ebd.)
Wie »Erich
Trunz (1905-2001) (Fünf Sonette des Andreas Gryphius. Versuch einer
Auslegung (1949), zit. n.
Braak 1979, S.61f.) trete in der vierten Zeile des ersten Quartetts
"kurz als Gegensatz hinzu - doch nur im Unterton, nicht als pointierte
Antithese - die Andeutung des Friedens (Arbeit, Fleiß, Vorrat)".
Das zweite Quartett
nimmt den allgemeinen Gedanken der Wirkungen des Krieges , den der
vierte Vers des ersten Quartetts formuliert auf, und veranschaulicht die
Gräuel des Krieges in "wirklichkeitsnähere(n) Bilder(n), aber nicht in
Verbindung mit einer augenblicklichen Impression, sondern sachlich
geordnet: die Türme (wehrhafte Sicherheit), die Kirchen (das geistliche
Leben), das Rathaus (weltliche Verwaltung), Männer und Frauen" (Trunz,
ebd.)
Diese Bilder "zeigen eine im eigentlichen
Sinne 'verkehrte Welt'": "Die Türme" bieten keine Wehr mehr; "die Kirch"
ist nicht länger Hort des Friedens sondern umgekehrt; "das Rathaus liegt
im Graus", d.h. es ist eine Stätte des Schreckens, nicht der bürgerlichen
Ordnung; "die Starken" sind Schwache, weil "zerhaun"; "die Jungfern sind
geschänd’t", d.h. die Reinen sind befleckt. Der zusammenfassende Satz am
Schluss des Quartetts (V. 7 und 8) erweitert, indem er zeigt, dass die
vorausgehenden Einzelbilder nicht Einzelfälle demonstrieren. Sie
erscheinen einem Raum zugehörig, in dem "Feuer, Pest und Tod" ein
Allgemeines sind." (Knauf
1969, ebd.)
Auch das erste Terzett
fährt mit der verheerenden Auswirkungen des Krieges fort. Mit den adverbialen Bestimmungen
»Hier durch die Schanz und Stadt«
(V. 9) und »Dreimal ... schon sechs Jahr« (V. 10) werde der
Wirklichkeitsbezug des Geschilderten hergestellt.
"Die ganze Häufung ist
also eine Zusammenschau von Motiven, die aus der Wirklichkeit als
besonders sinnkräftig ausgewählt sind, vermischt mit apokalyptischen
Bildern. Die Zeit selbst empfand oft ihr Elend als Anzeichen der Endzeit
und sah es mit den Augen der Bibel, zumal der Offenbarung Johannis [...]
die ganze Bilderreihe vom Beginn bis hierher [steht] zwischen Vision und
Wirklichkeit, wozu auch die verallgemeinernden Einfügungen passen [...]
Der Hinweis auf die Kriegsdauer von 18 Jahren führt auf die Überschrift
"Anno 1636" zurück.
Die Darstellungen der
Kriegsgräuel in den beiden Terzetten (z.B. »durch ... die Stadt rinnt
allzeit frisches Blut« (V. 9) und »unser Ströme Flut (sind) von Leichen
fast verstopft« (V. 10 und 11) steigerten dabei Schreckensvisionen der
beiden vorangehenden Quartette.
Die "Zusammenschau von
Motiven, die aus der Wirklichkeit als besonders sinnkräftig ausgewählt
sind, vermischt mit apokalyptischen Bildern" (Trunz,
ebd.) erzeugt
dabei nach Ansicht von
Knauf (ebd.) , eine Vermengung des Realen mit dem bloß Imaginierten
komme, würden Vorstellungen geweckt,
die an das Jüngste Gericht der Offenbarung erinnerten, wobei dieser Bezug zum
Religiösen hier wie in den letzten Halbzeilen der Verse 1 und 8
allerdings nur angedeutet werde. "Offen zutage", so Knauf weiter, "tritt er im abschließenden
Terzett, in dem das Gedicht eine weitere Steigerung erfährt. Im Gegensatz
zu den drei vorangehenden weist diese Strophe nicht ein einziges Bild auf.
Das Grauen, von dem sie spricht, lässt sich nicht mehr ausmalen, sondern
nur mit Hilfe von Komparativen ausdrücken. In der Klage um den verlorenen
"Seelenschatz" spüren wir jedoch auch Trost. Denn sie verweist auf eine
höhere Instanz, angesichts derer der Mensch vom Leid des Irdischen Abstand
zu gewinnen vermag." (ebd.)
Am Ende des Gedichts
scheint sich jedenfalls, wie Trunz (ebd.)
betont der "Ring zu schließen", allerdings unterbrochen durch eine
Bemerkung des lyrischen Ichs am Beginn des zweiten Terzetts: "Es
beginnt: »Doch schweig ich noch von dem ....«
Wovon schweigt das Gedicht? Es geht dem Ende zu; es hat, wie
Barockgedichte so oft, den Gipfel für den Schluss aufgespart [...] Dadurch
dass nicht einfach Beobachtungsbilder gegeben wurden, sondern eine
apokalyptische Landschaft, war ganz leise schon ein Bezug zum Religiösen
darin. Und jetzt am Ende erfolgt die Wendung ins Geistliche, ins
Innerliche, Religiöse [...] Der Schatz, das Wertvollste der Seele, ist -
das kann im Barock nicht anders sein - der christliche Glaube. [...] Nicht
nur Tod, Pest, Brand und Hunger haben die Menschen vernichtet, sondern in
dieser Umwelt sind sie sittlich verkommen, eigensüchtig, bösartig,
seelenlos geworden. Alles andere war Schicksal, war Not, die über die
Menschen kam wie ein Gewitter oder eine Lawine, wie die apokalyptischen
Reiter. Hier aber ist er frei in aller Bedingtheit. [...] Der Mensch kann
auch im höchsten Unglück Mensch bleiben und damit das, was "ärger als der todt", selbst überwinden. Mit diesem Schlussgedanken erreicht das
Sonett seinen Gipfel. Nach elf Zeilen grausiger, in sich kaum
steigerungsfähiger Bilder, folgt diese Aufgipfelung am Ende in steiler
Bewegung. Sie füllt genau das letzte Terzett."