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Willkommen und Abschied

Johann Wolfgang von Goethe (1785)


Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,            5
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,               10
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!                  15
In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.                         20
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne         25
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden,
Und sahst mir nach mit nassem Blick:          30
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!

 

 
   Arbeitsanregungen:

Das Gedicht gehörte in seiner ersten Fassung aus dem Jahre 1771 zu den so genannten "Friederikenliedern", die zur Sesenheimer Lyrik Johann Wolfgang von Goethes. Die vorliegende Fassung stellt die im Jahre 1785 umgeschriebene dar.

Interpretieren Sie das Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe.

  1. Untersuchen Sie dabei, welche sprachlich-stilistischen Mittel der Autor auf der Ebene des Satzbaus zur Gestaltung seiner Aussage einsetzt.

  2. Inwiefern spiegelt das Gedicht Grundstimmungen Goethes und der literarischen Epoche, in der es überarbeitet worden ist?

  3. Vergleichen Sie diese Fassungen mit der von 1777.  Wie verändert sich die Aussage des Gedichts und welche Motive hat Goethe für seine Umarbeitung?
     

 
      
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