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Johann Wolfgang von Goethe

Epilog zu Schillers Glocke

 (1771)

 
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Epilog zu Schillers Glocke
Johann Wolfgang von Goethe

Freude dieser Stadt bedeute,

Friede sei ihr erst Geläute!

Und so geschah's! Dem friedenreichen Klange

Bewegte sich das Land, und segenbar

Ein frisches Glück erschien: im Hochgesange

Begrüßten wir das junge Fürstenpaar;

Im Vollgewühl, in lebensregem Drange

Vermischte sich die tät'ge Völkerschar,

Lind festlich ward an die geschmückten Stufen

Die Huldigung der Künste vorgerufen.
[92]

Da hör ich schreckhaft mitternächt'ges Läuten,

Das dumpf und schwer die Trauertöne schwellt.

Ist's möglich? Soll es unsern Freund bedeuten,

An den sich jeder Wunsch geklammert hält?

Den Lebenswürd'gen soll der Tod erbeuten?

Ach! wie verwirrt solch ein Verlust die Welt!

Ach! was zerstört ein solcher Riß den Seinen!

Nun weint die Welt, und sollten wir nicht weinen?

Denn er war unser! Wie bequem gesellig

Den hohen Mann der gute Tag gezeigt,

Wie bald sein Ernst, anschließend, wohlgefällig,

Zur Wechselrede heiter sich geneigt,

Bald raschgewandt, geistreich und sicherstellig

Der Lebensplane tiefen Sinn erzeugt

Und fruchtbar sich in Rat und Tat ergossen;

Das haben wir erfahren und genossen.

Denn er war unser! Mag das stolze Wort

Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!

Er mochte sich bei uns im sichern Port

Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen.

Indessen schritt sein Geist gewaltig fort

Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen,

Und hinter ihm, in wesenlosem Scheine,

Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.

Nun schmückt' er sich die schöne Gartenzinne,

Von wannen er der Sterne Wort vernahm,

Das dem gleich ew'gen, gleich lebend'gen Sinne

Geheimnisvoll und klar entgegenkam.

Dort, sich und uns zu köstlichem Gewinne,

Verwechselt' er die Zeiten wundersam,

Begegnet' so, im Würdigsten beschäftigt,

Der Dämmerung, der Nacht, die uns entkräftigt.
[93]

Ihm schwollen der Geschichte Flut' auf Fluten,

Verspülend, was getadelt, was gelobt,

Der Erdbeherrscher wilde Heeresgluten,

Die in der Welt sich grimmig ausgetobt,

Im niedrig Schrecklichsten, im höchsten Guten

Nach ihrem Wesen deutlich durchgeprobt. –

Nun sank der Mond, und zu erneuter Wonne

Vom klaren Berg herüber stieg die Sonne.

Nun glühte seine Wange rot und röter

Von jener Jugend, die uns nie entfliegt,

Von jenem Mut, der früher oder später

Den Widerstand der stumpfen Welt besiegt,

Von jenem Glauben, der sich, stets erhöhter,

Bald kühn hervordrängt, bald geduldig schmiegt,

Damit das Gute wirke, wachse, fromme,

Damit der Tag dem Edlen endlich komme.

Doch hat er, so geübt, so vollgehaltig,

Dies bretterne Gerüste nicht verschmäht;

Hier schildert' er das Schicksal, das gewaltig

Von Tag zu Nacht die Erdenachse dreht,

Und manches tiefe Werk hat, reichgestaltig,

Den Wert der Kunst, des Künstlers Wert erhöht.

Er wendete die Blüte höchsten Strebens,

Das Leben selbst, an dieses Bild des Lebens.

Ihr kanntet ihn, wie er mit Riesenschritte

Den Kreis des Wollens, des Vollbringens maß,

Durch Zeit und Land, der Völker Sinn und Sitte,

Das dunkle Buch mit heiterm Blicke las;

Doch wie er atemlos in unsrer Mitte

In Leiden bangte, kümmerlich genas,

Das haben wir in traurig schönen Jahren,

Denn er war unser, leidend miterfahren.
[94]

Ihn, wenn er vom zerrüttenden Gewühle

Des bittern Schmerzes wieder aufgeblickt,

Ihn haben wir dem lästigen Gefühle

Der Gegenwart, der stockenden, entrückt,

Mit guter Kunst und ausgesuchtem Spiele

Den neubelebten edlen Sinn erquickt

Und noch am Abend vor den letzten Sonnen

Ein holdes Lächeln glücklich abgewonnen.

Er hatte früh das strenge Wort gelesen,

Dem Leiden war er, war dem Tod vertraut.

So schied er nun, wie er so oft genesen;

Nun schreckt uns das, wofür uns längst gegraut.

Doch schon erblicket sein verklärtes Wesen

Sich hier verklärt, wenn es herniederschaut.

Was Mitwelt sonst an ihm beklagt, getadelt,

Es hat's der Tod, es hat's die Zeit geadelt.

Auch manche Geister, die mit ihm gerungen,

Sein groß Verdienst unwillig anerkannt,

Sie fühlen sich von seiner Kraft durchdrungen,

In seinem Kreise willig festgebannt:

Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen,

Mit allem, was wir schätzen, eng verwandt.

So feiert ihn! Denn was dem Mann das Leben

Nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben.

So bleibt er uns, der vor so manchen Jahren –

Schon zehne sind's! – von uns sich weggekehrt!

Wir haben alle segenreich erfahren,

Die Welt verdank ihm, was er sie gelehrt;

Schon längst verbreitet sich's in ganze Scharen,

Das Eigenste, was ihm allein gehört.

Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend,

Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend.
[95]

Quelle: Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 2, Berlin 1960 ff, S. 92-96,122-123 (http://www.zeno.org/nid/2000484601X)

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   Arbeitsanregungen:

Interpretieren Sie das Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe.

  1. Arbeiten Sie dabei heraus, auf welche Inhalte von Schillers Lied von der Glocke sich Goethe bezieht.

  2. Untersuchen Sie dabei, welche sprachlich-stilistischen Mittel der Autor auf der Ebene des Satzbaus zur Gestaltung seiner Aussage einsetzt.

 

 
      
 

 
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