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▪ Gesamttext (Recherche-/Leseversion)
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Schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte
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Aspekte der schulischen
Erzähltextanalyse
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Kriterienkataloge der schulischen
Erzähltextanalyse »
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ABC der schulischen Erzähltextanalyse
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Der Beginn des Romans »Effi
Briest von »Theodor
Fontane (1819-1989) kann zur ▪
schulischen Analyse der Erzählstrukturen herangezogen werden. Dazu
können verschiedene erzähltheoretische Kriterien und Kategorien der
älteren
oder der
neueren Erzähltheorie herangezogen werden.
"In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie von
Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein
auf die mittagsstille Dorfstraße, während nach der Park- und Gartenseite
hin ein rechtwinklig angebauter Seitenflügel einen breiten Schatten erst
auf einen weiß und grün quadrierten Fliesengang und dann über diesen
hinaus auf ein großes, in seiner Mitte mit einer Sonnenuhr und an seinem
Rande mit Canna indica und Rhabarberstauden besetzten Rondell warf.
Einige zwanzig Schritte weiter, in Richtung und Lage genau dem
Seitenflügel entsprechend, lief eine ganz in kleinblättrigem Efeu
stehende, nur an einer Stelle von einer kleinen weißgestrichenen
Eisentür unterbrochene Kirchhofsmauer, hinter der der Hohen-Cremmener
Schindelturm mit seinem blitzenden, weil neuerdings erst wieder
vergoldeten Wetterhahn aufragte. Fronthaus, Seitenflügel und
Kirchhofsmauer bildeten ein einen kleinen Ziergarten umschließendes
Hufeisen, an dessen offener Seite man eines Teiches mit Wassersteg und
angekettetem Boot und dicht daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren
horizontal gelegtes Brett zu Häupten und Füßen an je zwei Stricken hing
- die Pfosten der Balkenlage schon etwas schief stehend. Zwischen Teich
und Rondell aber und die Schaukel halb versteckend standen ein paar
mächtige alte Platanen.
Auch
die Front des Herrenhauses - eine mit Aloekübeln und ein paar Gartenstühlen
besetzte Rampe - gewährte bei bewölktem Himmel einen angenehmen und zugleich
allerlei Zerstreuung bietenden Aufenthalt; an Tagen aber, wo die Sonne
niederbrannte, wurde die Gartenseite ganz entschieden bevorzugt, besonders
von Frau und Tochter des Hauses, die denn auch heute wieder auf dem im
vollen Schatten liegenden Fliesengange saßen, in ihrem Rücken ein paar
offene, von wildem Wein umrankte Fenster, neben sich eine vorspringende
kleine Treppe, deren vier Steinstufen vom Garten aus in das Hochparterre des
Seitenflügels hinaufführten. Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei
der Arbeit, die der Herstellung eines aus Einzelquadraten
zusammenzusetzenden Altarteppichs galt; ungezählte Wollsträhnen und
Seidendocken lagen auf einem großen, runden Tisch bunt durcheinander,
dazwischen, noch vom Lunch her, ein paar Dessertteller und eine mit großen
schönen Stachelbeeren gefüllte Majolikaschale. Rasch und sicher ging die
Wollnadel der Damen hin und her, aber während die Mutter kein Auge von der
Arbeit ließ, legte die Tochter, die den Rufnamen Effi führte, von Zeit zu
Zeit die Nadel nieder und erhob sich, um unter allerlei kunstgerechten
Beugungen und Streckungen den ganzen Kursus der Heil- und Zimmergymnastik
durchzumachen. Es war ersichtlich, dass sie sich diesen absichtlich ein
wenig ins Komische gezogenen Übungen mit ganz besonderer Liebe hingab, und
wenn sie dann so dastand und, langsam die Arme hebend, die Handflächen hoch
über dem Kopf zusammenlegte, so sah auch wohl die Mama von ihrer Handarbeit
auf, aber immer nur flüchtig und verstohlen, weil sie nicht zeigen wollte,
wie entzückend sie ihr eigenes Kind finde, zu welcher Regung mütterlichen
Stolzes sie voll berechtigt war.
Effi trug ein blau und weiß gestreiftes,
halb kittelartiges Leinwandkleid, dem erst ein fest zusammengezogener,
bronzefarbener Ledergürtel die Taille gab; der Hals war frei, und über
Schulter und Nacken fiel ein breiter Matrosenkragen.
In allem, was sie tat,
paarten sich Übermut und Grazie, während
ihre lachenden braunen Augen eine
große, natürliche Klugheit und viel Lebenslust und Herzensgüte verrieten.
Man nannte sie die »Kleine«, was sie sich nur gefallen lassen musste, weil
die schöne, schlanke Mama noch um eine Handbreit höher war.
Eben hatte sich
Effi wieder erhoben, um abwechselnd nach links und rechts ihre turnerischen
Drehungen zu machen, als die von ihrer Stickerei gerade wieder aufblickende
Mama ihr zurief: »Effi, eigentlich hättest du doch wohl Kunstreiterin werden
müssen. Immer am Trapez, immer Tochter der Luft. Ich glaube beinah, dass du
so was möchtest.«
»Vielleicht,
Mama. Aber wenn es so wäre, wer wäre schuld? Von wem hab ich es? Doch nur
von dir. Oder meinst du, von Papa? Da musst du nun selber lachen. Und dann,
warum steckst du mich in diesen Hänger, in diesen Jungenkittel? Mitunter
denk ich, ich komme noch wieder in kurze Kleider. Und wenn ich die erst
wiederhabe, dann knicks ich auch wieder wie ein Backfisch, und wenn dann die
Rathenower herüberkommen, setze ich mich auf Oberst Goetzes Schoß und reite
hopp, hopp. Warum auch nicht? Drei Viertel ist er Onkel und nur ein Viertel
Courmacher. Du bist schuld. Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum
machst du keine Dame aus mir?«
»Möchtest du's
?«
»Nein.« Und
dabei lief sie auf die Mama zu und umarmte sie stürmisch und küsste sie.
»Nicht so wild,
Effi, nicht so leidenschaftlich. Ich beunruhige mich immer, wenn ich dich so
sehe ... « Und die Mama schien ernstlich willens, in Äußerung ihrer Sorgen
und Ängste fortzufahren. Aber sie kam nicht weit damit, weil in ebendiesem
Augenblick drei junge Mädchen aus der kleinen, in der Kirchhofsmauer
angebrachten Eisentür in den Garten eintraten und einen Kiesweg entlang auf
das Rondell und die Sonnenuhr zuschritten. Alle drei grüßten mit ihren
Sonnenschirmen zu Effi herüber und eilten dann auf Frau von Briest zu, um
dieser die Hand zu küssen. Diese tat rasch ein paar Fragen und lud dann die
Mädchen ein, ihnen oder doch wenigstens Effi auf eine halbe Stunde
Gesellschaft zu leisten. »Ich habe ohnehin noch zu tun, und junges Volk ist
am liebsten unter sich. Gehabt euch wohl.« Und dabei stieg sie die vom
Garten in den Seitenflügel führende Steintreppe hinauf.
Und da war nun
die Jugend wirklich allein. [...]"
(Quelle: Theodor Fontane: Romane und Erzählungen in acht Bänden. Band 7,
Berlin und Weimar 21973, S. 7-8. Permalink:
http://www.zeno.org/nid/2000477471X
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.01.2024