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(Borchert-Text)
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Bausteine
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(Interpretation)
Ein Spiel von Licht und Dunkel
Gert Egle (2020)
Es ist ein Spiel von Licht und Dunkel, das der Erzähler von ▪
Wolfgang Borcherts
Kurzgeschichte
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»Die drei dunklen Könige«
vor den Augen seiner Leserinnen und Leser inszeniert.
In der nächtlichen Dunkelheit, die durch keine Gestirne am Himmel
erhellt wird, tappt ein Mann auf der Suche nach etwas Brennbarem durch
die Häuserruinen einer offenkundig kriegszerstörten Vorstadt. Es ist so
dunkel – "Der Mond fehlte.", "Sterne waren nicht da." –, dass sich die
Konturen einzelner noch stehengebliebener Fassaden der Trümmerlandschaft
nur noch schemenhaft gegen den Himmel abzeichnen. Auch wenn sie
"abgebrochen" wirken, stehen sie noch immer aufrecht und
weisen wie
Zeiger in den Himmel. Es ist kalt und still hier draußen, keine
Menschenseele scheint außer dem Mann unterwegs, der schließlich eine
morsche Holzlatte findet und sich mit ihr auf den Weg nach Hause macht.
Und doch, so scheint es, besitzt diese tote, weil gänzlich zerstörte
Trümmerlandschaft durch die anthropomorphisierende Darbietung des
Erzählers auf ihre Weise seltsam belebt. Sie scheint sich fast gegen den
nächtlichen Eindringling zu wehren, der ihre nächtliche Totenruhe stört.
Das Pflaster der Straße ist "erschrocken über den späten Schritt" des
Mannes, der auf ihm herumtappt, und die Holzlatte, die er aus einer
"alten Planke" heraustritt, seufzt "morsch" auf, als sie herausbricht.
Und auch die Gerüche, die sie verströmt, "mürbe und süß", sind Gerüche
der Verwesung, die das organische Material verströmt. Das Leben hier
draußen scheint zu Ende, das Motiv der Dunkelheit legt sich über das
ganze, in einem knappen zeitraffenden Erzählerbericht mit seiner
Aneinanderreihung von acht kurzen Hauptsätzen dargebotene Geschehen des
ersten Abschnitts der Geschichte und verbindet, die disparat wirkende
Reihenfolge, z. B. das abschließende "Sterne waren nicht da",
miteinander zu einem kohärenten Bild.
Mit seinem Holzstück kehrt der Mann in sein ärmliches Zuhause zurück, wo
ihn seine Frau mit einem erst eine Stunde alten Neugeborenen in einem
Zimmer hinter einer Türe, mehr ist über den Ort nicht zu erfahren,
erwartet. Als er die Tür öffnet, gibt diese ein Geräusch von sich. Sie
weint, als könnte sie fühlen, in welch trostloser Lage sich die kleine
Familie befindet, die frieren muss und nur eine Handvoll Haferflocken
besitzt, um sich am Leben zu erhalten. Die Frau, die ihren Mann
erwartet, wird mit nur ganz wenigen Worten explizit vom Erzähler
charakterisiert. Sie hat blassblaue Augen, die ohne jeden Glanz ihre
Müdigkeit nach der gerade eine Stunde zurückliegenden Geburt ebenso
widerspiegeln wie ihre Hoffnungslosigkeit.
Das Zimmer, in dem die kleine Familie zu überleben sucht, ist bis auf
die Türe, die es von der in Trümmern liegenden Außenwelt abschließt und
dem kleinen Blechofen, den es darin gibt, vom Erzähler nicht weiter
gestaltet. Der Innenraum steht aber in Kontrast zu dem dunklen Draußen,
mit den ihn aber die Kälte verbindet, die innen und draußen herrscht.
Sobald das kleine Feuer ihn innen ein wenig erhellt entsteht zumindest
ein warmes Licht, das, das Zimmer mit seinem durch das Fenster
schimmernde Licht später zum Anziehungspunkt für die drei nächtlichen
Besucher macht. Vier Mal wechselt der Schauplatz des dargebotenen
Geschehens und gibt dem Text unter dem Blickwinkel der Raumgestaltung
eine aufeinander bezogene, zusammenhängende Struktur.
Nach seiner Rückkehr bricht der Mann ein Stück Holz aus der morschen
Latte, die, als ob sie sich gegen ihre endgültige Vernichtung wehren
wollte, dabei noch ein letztes Mal "aufseufzt". Er bricht es über
"sein knochiges Knie", die einzige explizit charakterisierende Bemerkung
des Erzählers über die äußere Erscheinung des Mannes, die ein Leser mit
einem abgemagerten Körper assoziieren kann. Bevor er das Holzstück in
den Blechofen steckt, entströmt ihm aber noch einmal ein mürbe und süß
duftender Geruch. Vielleicht um seine Frau aufzuheitern und deren
möglicher Verknüpfung der Geruchswahrnehmung mit Moder und Verwesung
entgegenzuwirken, deutet er den Geruch positiv um. Es rieche, so sagt er
leise und lacht sogar etwas dabei, wie Kuchen. Es sind zugleich die
ersten Worte, die nach seiner Rückkehr überhaupt gesprochen werden und
auch das erste Mal, dass für einen Moment eine emotionale Reaktion
erzählt wird. Die Frau geht jedenfalls inhaltlich nicht weiter darauf
ein, akzeptiert das Angebot zur Umdeutung nicht, sondern gibt ihm mit
ihrem Blick zu verstehen, dass er nicht lachen solle, um den
neugeborenen Sohn damit nicht aufzuwecken.
Es ist das aufglimmende Licht, dessen Lichtschein die Erzählung, die aus
einer Vielzahl wechselnder und sich überlagernder Perspektiven erzählt
wird, folgt, als es für einen Augenblick das Gesicht des neugeborenen
Sohnes erhellt.
Man hat den Eindruck, dass die folgende Beschreibung des Gesichts aus
der figuralen bzw. personalen Perspektive (räumlich und perzeptiv, d. h.
von der Wahrnehmung aus betrachtet) des Mannes erfolgt, sie kann aber
durchaus auch für Vater und Mutter gelten, die im Licht des kleinen
Feuers im Blechofen ihr Kind zum ersten Mal richtig betrachten können.
Letzten Endes sind dafür aber unterschiedliche Lesarten möglich, zumal
im Text die näheren Umstände, der erst so kurz zurückliegenden Geburt
mit keinem Wort erwähnt werden.
Die Inaugenscheinnahme des neugeborenen und schlafenden Säuglings bleibt
allerdings auffällig distanziert. Kein Wort fällt dabei zwischen den
Eltern, keine, nicht einmal in Ansätzen, Emotionen lassen sich
herausspüren, denen frischgebackene Eltern sonst meistens Ausdruck
verleihen, wenn ein Kind gerade erst geboren worden ist. Es scheint, als
hätte die hoffnungslose Not, in der sie mit ihrem Neugeborenen
zurechtkommen müssen, schließlich ist damit auch ein weiterer Esser
geboren, ihnen die Sprache genommen. Dementsprechend wird an dem
winzigen und runden Gesicht, das Kindchenschema, das sonst Quelle
vielfältiger positiver Empfindungen sein kann, nur, fast nüchtern,
festgestellt, dass es alles hat, was zu einem Gesicht gehört, nämlich
Ohren, Nase, Mund und Augen. Und das regelmäßige Atemholen durch den
offenen Mund, sowie die rot und damit warm durchbluteten Nase und Ohren,
gibt offenbar Hoffnung, dass das Neugeborene auch weiterhin überleben
kann.
Vor allem die Mutter ist darüber erleichtert, auch wenn sie ihre Sorge,
das Neugeborene könne noch sterben, mit dem Vater nicht teilen kann und
will. Die vitalen Atemzüge und das friedliche Schlafen des Kindes aber
weist weit über das dargebotene Geschehen hinaus. Es symbolisiert seinen
kreatürlichen Anspruch auf Leben, das von der "Handvoll warmen Lichts",
das auf es fällt, gegen die Kälte und die Mächte der Finsternis, die
draußen fast alles Leben zerstört haben, bestehen will.
Die Kommunikation der Eltern darüber, wie sie alle in der nächsten Zeit
gegen den drohenden Hunger überleben können, wird in zwei kurzen
Äußerungen der beiden in direkter Rede "agehakt": Der Mann verweist
darauf, dass es "noch" Haferflocken gäbe und die Frau bestätigt dies und
zeigt sich darüber erleichtert. Dabei scheinen die Haferflocken das
einzige zu sein, was die Familie zu essen hat. Wenn diese aufgegessen
sind oder sonstwie abhanden kommen (s. den Kontrollblick des Mannes am
Ende der Geschichte, als die drei nächtlichen Besucher wieder gegangen
sind), wissen sie nicht, wie sie durchkommen können.
Für einen Moment reflektiert der Mann diese Lage. Es wird sichtbar, wie
sehr ihn die Lage, in der sie sich befinden, belastet. Es ist für ihn
geradezu unerträglich, dass seine Frau, nachdem sie "ihr" Kind bekommen
hat, frieren muss. Die Unmöglichkeit als männlicher Beschützer seiner
kleinen Familie agieren zu können, macht ihn innerlich so wütend, dass
er demjenigen, den er dafür verantwortlich machen könnte, am liebsten
"die Fäuste ins Gesicht" schlagen will. Drei Mal wird im Text dieses
Bild erwähnt, zuletzt nach dem Davongehen der "dunklen Drei". Jedes Mal
steht es für die ohnmächtige Wut des Mannes, der allerdings darüber die
Kontrolle nicht verliert, weil er niemanden finden kann, der für das
alles verantwortlich ist.
Im Gegensatz zu diesen ohnmächtigen Gewaltfantasien des Mannes stehen
die erneut von einer Handvoll Licht über dem schlafenden Kindergesicht
ausgelösten Assoziationen der Frau, die ihren Mann darauf aufmerksam
macht, dass der Lichtschein über dem Kindergesicht wie ein
"Heiligenschein" aussehe. Die innere Wut des Mannes aber verliert damit
nicht ihre Kraft und Dynamik, er kann damit nichts anfangen.
Nach einer zeitlichen Aussparung sind plötzlich "welche an der Tür". Ob
es einfach irgendwelche fremden Personen sind oder "welche", mit denen
man in diesen Zeiten rechnen muss, ist aus der figuralen Perspektive,
aus der diese Wahrnehmung des Eintreffens der drei fremden Gestalten
dargestellt wird, nicht eindeutig zu entnehmen. Wirklich überraschend
jedenfalls, so gewinnt man den Eindruck aus den wenigen bei und nach der
Ankunft gesprochenen Worten, ist die nächtliche Begegnung jedoch nicht.
Und auch der Mann macht kaum Anstalten, sich gegen das Eintreten der
kleinen Gruppe in das Zimmer der kleinen Familie zu wehren.
Es ist das Licht, das von dem kleinen Feuer im Blechofen erzeugt worden
ist, das sie, wie sie sagen, vom Fenster aus gesehen haben. Sie sind in
der Nacht nach irgendwohin unterwegs und wünschen sich nur zehn Minuten
hinzusetzen. Den kurzen Einwand des Mannes, sie hätten ein Kind, lassen
sie nicht gelten, sondern treten einfach ein, sind dabei allerdings sehr
leise. Der Mann, der noch eben in seiner Fantasie Gewalt anwenden will,
lässt es geschehen.
Im Innern des Zimmers gibt das Licht preis, um wen es sich bei den aus
der Dunkelheit kommenden Gestalten handelt. Es sind offensichtlich drei
Männer, ehemalige Soldaten, die in ihren alten und abgewetzten Uniformen
in der Nacht unterwegs sind. Ein Signal auch für die erzählte Zeit der
Geschichte, die damit wohl auf die unmittelbare Nachkriegszeit des
zweiten Weltkrieges verweist (inferiert), in der rückkehrende Soldaten
allerorten unterwegs waren und sich irgendwie durchgeschlagen haben, um
der Kriegsgefangenschaft zu entgehen. Eine Lesart nur, aber eine
durchaus plausible.
Die Männer sind in einem erbärmlichen Zustand, der im Stakkato einer
parataktischen Reihung von Hauptsätzen, die rhetorisch als Amplifikation
und Klimax ihren Inhalt in einem paradoxen Bild präsentieren,
aneinandergereiht sind: "Einer hatte eine Pappkarton, einer einen Sack,
Und der dritte hatte keine Hände." Sie sind, wie man später aus dem
Dialog, den der Mann mit den drei nächtlichen Besuchern beim
Zigarettenrauchen wieder draußen vor der Türe in Erfahrung bringt,
schwer vom Krieg gezeichnet, der selbst im ganzen Text nie mit einem
Wort erwähnt wird. Einer hat "dicke umwickelte Füße" und leidet
offenkundig an schweren Hungerödemen, einer hat beide erfrorenen Hände
amputiert bekommen und einer, der nur noch "wispern" kann, hat vor
lauter Angst, die er ausgestanden hat, ein Nervenleiden, das ihn ständig
zittern lässt.
Trotzdem, sie kommen bei ihrem nächtlichen Besuch nicht mit leeren
Händen, sondern machen der kleinen Familie trotz ihrer eigenen Not
Geschenke. Dem Kind schenkt einer von ihnen einen Esel, den er aus Holz
in sieben Monaten - als Beschäftigung an der Front oder in der
Gefangenschaft? - geschnitzt hat und der damit symbolisch auch für das
Weiterleben in einer aussichtslosen Lage steht, die Frau erhält von dem
"Zitternden" zwei gelbe Bonbons, die er sich ganz offenkundig selbst vom
Munde abgespart hat und mit dem Mann teilen sie den wenigen Tabak, um
gemeinsam Zigaretten zu drehen und zu rauchen. Damit ändert sich auch
das Bild, das der Mann und die Frau von den nächtlichen ungebetenen
Besuchern gewinnen, auch wenn sie ihre Skepsis (Mann) und Furcht (Frau),
was noch geschehen könnte, ganz offensichtlich nicht abstreifen können.
In einer unmittelbaren Bedrohungssituation scheinen sie sich selbst
durch die ungebeten eindringenden Fremden jedenfalls nicht zu sehen.
Aber auch von einer positiven Reaktion auf die ihnen gemachten Geschenke
ist nirgendwo die Rede.
Erst als die drei Männer, jetzt ist erstmals von den "drei Dunklen" die
Rede, sich über das Neugeborene beugen, das sie offenbar im Arm trägt,
bekommt es die Frau mit der Angs zu tun. Dabei bleibt unklar, was sie
eigentlich befürchtet. Sie selbst äußert es nicht, aber das Kind scheint
zu spüren, was die Mutter auf es überträgt. Es stemmt seine Beine gegen
ihre Brust und schreit laut auf. Ansonsten eigentlich nichts
Außergewöhnliches für einen Säugling, der erwacht und wahrscheinlich
Hunger hat. Und doch nehmen es die "drei Dunklen", die mit ihrem
rücksichtsvollen Verhalten und ihren Geschenken nie eine Bedrohung für
die kleine Familie dargestellt haben, das Schreien des Kindes zum
Anlass, um sich ganz leise zu entfernen und in die Dunkelheit der Nacht
zu verschwinden. Wie zur Beruhigung aber auch zur Selbstbestätigung,
dass sie erreicht haben, was sie wollten, nicken sie zum Abschied und
verlassen, ohne dass ein weiteres Wort fällt, das Zimmer.
Dort hallt der nächtliche Besuch noch nach. Der Mann, der sich ganz
offensichtlich keinen Reim auf die nächtlichen Besucher machen kann,
sieht in ihnen "sonderbare Heilige", als er die Tür hinter ihnen
schließt. Die Bemerkung schlägt eine Kohärenzbrücke zu dem Motiv
des Heiligenscheins, den das Licht dem Gesicht des Kindes eingangs
verleiht, ist aber sicherlich ohne religiösen Bezug gemeint, was auch
das erneute Aufgreifen in einer ironischen Fügung ("schöne Heilige")
unterstreicht.
Ob es am Ende nur eine Art Kontrollblick ist, den der Mann auf die
Haferflocken richtet, um zu überprüfen, ob diese "Heiligen" sich nicht
daran bedient und sie, zumindest zum Teil, entwendet haben, oder ob dies
tatsächlich der Fall ist, darauf gibt der Text keine Antwort. Feststeht
nur, dass der Mann seine ironische Bemerkung "brummt" und sofort wieder
in die Realität des Überlebenskampfes zurückkehrt. Bei dem Blick auf die
Haferflocken steigt sofort wieder jene ohnmächtige Wut in ihm auf, die
er auch dieses Mal an niemandem mit Schlägen ins Gesicht auslassen kann.
Nicht daran zu denken, was hätte geschehen können, wenn die "drei
Dunkeln" die Haferflocken - Not kennt kein Gebot! - hätten
mitgehen lassen.
Die Frau ist am Ende, als der Mann und sie einmal länger miteinander
sprechen, um sich über das Erlebte miteinander auszutauschen, sichtlich
froh, dass das Kind so laut geschrien hat. Sie vermutet, dass dies der
Anlass dafür war, dass die drei nächtlichen Besucher wieder gegangen
sind. Das Schreien, mit dem das Kind in ihren Augen, die Privatsphäre
der kleinen Familie geschützt hat, ist für sie Ausdruck seiner
Lebendigkeit, die sie stolz macht. Die erste Äußerung über das Kind, die
eine emotionale Nähe zu ihm signalisiert. Der Mann ist sich da dagegen
nicht so sicher, sondern will wissen, ob das Schreien nicht als Ausdruck
des Weinens zu verstehen sei.
Die Antwort seiner Frau, sie glaube, dass das Weinen eher ein Lachen
sei, deutet die Realität um. Sie knüpft dabei an das Lachen des Mannes
bei seiner Rückkehr von draußen an. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht
fähig gewesen, auf sein Angebot, die Welt mit anderen Augen, d. h. vor
allem wieder optimistischer, zu sehen, einzugehen. Seine der
Stimmungsaufhellung dienende Umdeutung des Geruchs des vor sich
hinmodernden Holzes zum Kuchengeruchs hatte sie nicht empfinden können.
Jetzt deutet sie aber selbst das Schreien des Kindes in Lachen um. Es
wundert daher nicht, dass ihr Mann das Angebot, die Welt einfach mit
anderen Augen zu sehen, sofort aufgreift und noch einmal den süßlichen,
ihn an Kuchenduft erinnernden Geruch des morschen Holzes ins Spiel
bringt. Mit der Bemerkung, heute sei "ja auch Weihnachten" macht die
Frau ihm und sich selbst ein übergreifendes Deutungsangebot, um das
ganze Geschehen um sie herum, einschließlich der nächtlichen Begegnung
mit den "drei Dunklen", zu rahmen. Und mit der Handvoll Licht, die noch
einmal hell auf das nun wieder schlafende Gesicht fällt, nimmt der Mann
dieses Angebot, ein wenig widerstrebend allerdings ("brummte") an.
Und so liest sich die Geschichte erst am Ende als eine "säkularisierte,
in die Nachkriegszeit verlegte, moderne Weihnachtsgeschichte" (Große,
1991/2017, S.53), die aber teilweise in das Schema der christlichen
Bethlehem-Geschichte passt. Auch wenn der der Titel der
Geschichte, indem allein eine fast explizite Verknüpfung der "drei
Dunklen" mit dem biblischen Narrativ der Heiligen Drei Könige in der
christlichen Weihnachtsgeschichte hergestellt wird, ist zwar ein
auktorial gesetztes Signal zur Rezeptionssteuerung, die bewusst darauf
hinlenkt, verwässert aber die Unterschiede auch nicht.
Es sind keine reichen Könige aus dem Morgenland, die einem Stern folgen,
um dem kommenden Messias mit ihren Geschenken zu huldigen, sondern es
sind dunkle Gestalten, ungebetene Gäste, die in finsterer Nacht selbst
unterwegs sind, vom Krieg schwer gezeichnete dunkle Gestalten. Sie
kommen aus dem Dunkel der Nacht und verschwinden darin wieder. Was sie
zu Königen macht, ist nicht ihr Status, sondern ihr zutiefst
menschliches Handeln in einer Situation, wo eigentlicher jeder nur für
sich um das eigene Überleben kämpft. Sie sind das eigentliche Licht, das
dem gerade neu beginnenden Leben Hoffnung und Aussicht geben kann, auch
wenn es nur kurz, in einer Begegnung weniger Minuten, sichtbar werden
kann. Die bloß beschönigende Rahmung durch ein religiös oder anderweitig
motiviertes Weihnachtsgefühl kann dies jedenfalls nicht. Es bleibt ein
Spiel von Licht und Dunkel mit ungewissem Ausgang für die ganze
Menschheit, die ihre Probleme nur mit echter und gelebter Humanität
bewältigen kann.
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