Die Fotostory zählt zu den
literarischen Textsorten. Sie stellt, ganz allgemein
betrachtet, eine Folge von Fotos dar, die in
einem mehr oder weniger deutlichen,
kohärenten Sinnzusammenhang zueinander stehen.
In
einer derartigen Weise verstanden fungiert der Begriff auch als Oberbegriff,
der sehr Verschiedenes umfasst. Sein Begriffsumfang reicht von einer
reportageartigen Fotostory (Fotoreportage) bis hin zu einem fiktionalen Fotoroman. In diesem
Arbeitsbereich wird der Begriff Fotostory als Obergriff für seine fiktionalen
bzw. literarischen Formen
verwendet, wie dies auch in dem häufig synonym verwendeten Begriff
Fotoroman zum Ausdruck gebracht wird.
Eine Fotostory besteht demnach aus einer unterschiedlichen Anzahl
linear aufeinander folgenden Einzelfotografien, die zusammen eine
"Geschichte" erzählen. Wollte man sie der gängigen
Gattungstrilogie literarischer Formen zuordnen, zählte sie zu den epischen
bzw. narrativen Texten. Dabei wird selbstverständlich ein
erweiterter Textbegriff
zugrunde gelegt, der textliche, bildliche und skriptovisuelle Textteile als
ein (textliches) Ganzes betrachtet. Da bei der Fotostory der geschriebene
Text und das jeweils dazugehörige Bild eine Einheit bilden und damit den
Text erst konstituieren, kann man die Fotostory zu den so genannten
visuellen Texten
zählen. (vgl.
Gansel/Jürgens
2002, S.14)
Zu den bildlich-fotografischen Elementen gesellen sich bei der Fotostory rein textliche Teile, die, zumeist in
Sprech- oder
Denkblasen gefasst, Dialoge zwischen verschiedenen Figuren oder die
monologischen Gedanken einer einzelnen Figur wiedergeben. Hinzu kommen
Textfelder bzw. Textbalken, meist am oberen Bildrand zu finden, die gewisse
Erzählfunktionen übernehmen (z.B. die raumzeitliche Fixierung eines
Geschehens, raffende Wiedergabe von Auslassungen etc.) Grundsätzlich
erfüllen diese Sprech- und Denkblasen die Aufgabe, die prinzipielle
Vieldeutigkeit des Bildes auf eine einzige zu beschränken, um eine kohärente
Geschichte zu ermöglichen. (Schimming
2002)
Ulrike Schimming (2002) betont unter
semiotischem
Blickwinkel, dass die skriptovisuelle Verbindung von Bild und Text ein
grundlegender Aspekt des Erzählens im Fotoroman darstellt. Dabei beinhalten
die "Fotografien vor allem beschreibende Elemente einer Erzählung [...],
also das Aussehen, die Kleidung der Figuren und die Örtlich- und
Räumlichkeiten, in denen sich die Geschichten abspielen. Momente der
Handlung und der visuell nicht zeigbaren Sinneseindrücke hingegen werden
durch die Texte vermittelt." (ebd.)
Aber die Fotostory verwendet außer diesen bildlichen und textlichen
Elementen weitere Codes und Kanäle, um ihre Geschichte zu erzählen.
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Da ist zunächst einmal die
unterschiedliche Größe und Form, mit der die Fotografien auf einer Seite
sequenziell angeordnet werden. Diese räumliche Anordnung ist es, die vom
Leser/Betrachter als ein logisches Aufeinanderfolgen der im Bild gezeigten
Inhalte verstanden wird, gerade so wie dies auch im Comic der Fall ist.
-
Der "Plot", die dargestellte
Handlung einer Fotostory, ist im Allgemeinen in inhaltlich zusammenhängende
Szenen unterschiedlicher Länge gegliedert.
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Szenenwechsel, Ort- und
Zeitwechsel werden meistens durch den "erzählenden" Nebentext in
den Randbalken oder durch
Änderung der Figurenkonfigurationen o. ä. signalisiert.
Eine besondere Ähnlichkeit zwischen filmischen und fotografischen
Darstellungstechniken findet sich bei der Wahl der Kameraperspektiven und
Einstellungsgrößen. "Zwar unterliegen Fotoromanfotos nicht einem
einheitlichen Rahmen (wie dies bei den technisch vorgegebenen Filmformaten
der Fall ist) und variieren in ihren Panelgrößen und -formen, doch lässt
sich die Übernahme filmischer Abstände zu den gezeigten Figuren
konstatieren, um bestimmte inhaltliche Intentionen zu verdeutlichen (z.B.
Betonung der emotionellen Darstellung durch Nahaufnahmen)."(ebd.)
Was Fotoromane gemeinhin erzählen, gilt als trivial. In Deutschland, wo
es im Gegensatz zu Italien keine ausgeprägte Fotoromanrezeption gegeben hat
und gibt, spielt der Fotoroman meist nur in bestimmten jugendkulturellen
Zusammenhängen eine Rolle. Seit 1972 ist es die Jugendzeitschrift BRAVO, die
regelmäßig Foto-Love-Stories veröffentlicht. Mit ihren überwiegend
jugendlichen Darstellern und den von ihnen verkörperten Figuren richten sie
ihre früher meist nur sexuellen Aufklärungsbotschaften an ein ebenso
jugendliches Publikum. Inzwischen freilich hat sich die in den
BRAVO-Fotoromanen thematisierte Welt auch auf andere Themen ausgedehnt und
die Redaktion versucht mit Themen wie Rassismus, Umweltschutz, AIDS u. a.
eine breitere Aufklärungsarbeit zu betreiben.
Mit dem
Internet hat die Fotostory wieder eine gewisse Neubelebung
erfahren, deren Entwicklung freilich von großer Formenvielfalt geprägt ist.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023