Ein ▪
Sprecherwechsel, der durch
Unterbrechung zustande kommt, gilt
gemeinhin als unhöflich oder wird zumindest als störend empfunden. Es ist
in gewisser Weise ein latent aggressives Konkurrenzverhalten, wenn man zu
sprechen anfängt, während ein anderer noch das Wort hat, und man damit für
sich beansprucht zu sprechen und gehört zu werden.
Aber nicht jede Unterbrechung wird als gleichermaßen störend empfunden.
Es gibt nämlich übergangsrelevante
Orte (z. B. das Ende eines Satzes oder eines Teilsatzes), an denen
man "einhaken" kann. An solchen Orten kann dieses Verhalten mehr als ein
Akt überraschender Selbstwahl denn als Unterbrechung verstanden werden.
Legitimierte Unterbrechungen
Darüber hinaus gibt es auch Situationen in einem Gespräch, bei denen
das Unterbrechen eines aktuellen Sprechers legitim erscheint, ohne dass
damit auch Prinzipien einer
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partnerorientierten Argumentation verletzt werden:
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Man will mitteilen, dass man schon weiß, wovon der Sprecher gerade
spricht.
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Man möchte sagen, dass einem das Ergebnis einer Handlung, die er
sich gerade anschickt zu tun, schon bekannt ist.
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Man will über ein Missverständnis aufklären, das den Äußerungen des
Sprechers zugrunde liegt.
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Man will intervenieren, weil der Hörer das, was der Sprecher (sprachhandelnd)
tun will, für unnötig oder unhöflich o. ä. hält.
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Man will einen Sprecher, dem ein offenkundiger, sinnentstellender
Fehler unterlaufen ist, korrigieren.
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Man will den Sprecher darauf aufmerksam machen, dass er von einem
vereinbarten Thema allzu sehr abweicht.
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Wenn man als angesprochener Hörer merkt, dass man nicht der
gewünschte, angemessene oder kompetente Adressat einer Äußerung des
Sprechers ist. (vgl.
Schwitalla 1979, S.76f.)
Gegenstrategien zur Behauptung des Rederechts
Wer als Sprecher feststellt, dass er unterbrochen werden soll, kann
verschiedene verbale und nonverbale Gegenstrategien anwenden, um das
Rederecht in einer bestimmten Situation zu behaupten. Man kann z. B.
-
einfach lauter reden und damit den anderen übertönen
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den Redeteil, bei dem man unterbrochen wird, erneut wiederholen, u.
U. sogar mehrmals, jedenfalls so lange, bis der Unterbrecher seinerseits
wieder schweigt
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seine Körperhaltung bzw. Körperzuwendung verändern, indem sich z. B.
nach vorne beugt, und/oder mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik den
Unterbrecher nonverbal wieder in seine Schranken weist
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die Unterbrechung selbst thematisieren oder ansprechen und sich
explizit dagegen verwahren (z. B. "ich möchte gerne ausreden...") (vgl.
Linke u. a. 1995, S.268)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.12.2023
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