Eine "Puzzle"-Arbeit: Textstrukturierend vorgehen
Nicht jeder Text kommt wohlgeformt, gut durchstrukturiert und
damit wirklich
verständlich daher. Bei solchen Texten kann man im
Allgemeinen nicht am Text entlang vorgehen und sich auf eine
▪ textsukzessive Bearbeitungsstrategie einstellen. Bei
Sachtexten,
die zu einem bestimmten Problem oder Sachverhalt Stellung
nehmen, ihr
Thema also überwiegend
argumentativ entfalten, ist dies eher die Regel als die
Ausnahme.
Alltagsargumentationen
dieser Art, wie sie oft ganz "normalen" ▪
Zeitungstexten ( z. B.
Kommentare,
Leserbriefe,
Glossen usw.)
oder entsprechende Texte aus dem Internet lassen sich quasi per se ▪
nicht so
einfach analysieren.Nichts spricht allerdings dagegen,
wenn es bestimmte Textteile zulassen, beide
Bearbeitungsstrategien bei der Textarbeit zu kombinieren.
Bei der ▪
Analyse von Texten kann,
insbesondere wenn der Text es erfordert, also nach einer textstrukturierenden Bearbeitungsstrategie
vorgehen. Dabei weicht man bei der Analyse bzw. Dekonstruktion des Textes von der
darin
vorgegebenen inhaltlichen Gliederung, dem gedanklichen Aufbau und der
vorgegebenen ▪
Entfaltung des Themas eines Textes bewusst ab.
Das kann im Allgemeinen
zwei Gründe haben:
-
Die inhaltliche Gliederung eines
Textes selbst, die ihm
zugrunde liegende Gedankenführung und die Art und Weise, wie er sein
Thema entfaltet, sind nicht so, dass sie leicht
▪
verständlich wirken. (vgl.
▪
Einfachheit vs.
Kompliziertheit,
▪
Gliederung,
▪
Ordnung vs. Unübersichtlichkeit,
Kürze,
Prägnanz vs. Weitschweifigkeit)
Textlinguistisch gesehen mangelt es dabei u. U. an einer
nachvollziehbaren
▪
Kohärenz des Textes.
-
Die Gesichtspunkte, die für die Analyse eines Textes herangezogen
werden sollen, verlangen eine aspektorientierte Sicht auf den
Text als Ganzes oder seiner Teile. In diesem Fall werden bei der Analyse
im Text die (auch verstreuten) Antworten auf eine oder mehrere Fragen
gesucht. (vgl. auch ▪
W-Fragen-Methode,
▪
Fragenmethode)

So wird's gemacht
Die textstrukturierende Bearbeitungsstrategie
-
untersucht
den Text unter bestimmten Aspekten,
-
ordnet den
Inhalt unter geeigneten Oberbegriffen
-
weicht
absichtlich vom Aufbau und der Abfolge der Gedanken, wie sie
im zu bearbeitenden Text vorgegeben sind, ab
-
strukturiert
Inhalt, gedanklichen Aufbau und thematische Entfaltung u. U.
nach völlig neuen Gesichtspunkten
Die textstrukturierende Bearbeitungsstrategie von Texten lässt sich mit
einem Aufbau der schriftlichen Ausarbeitung nach dem ▪
Reißverschlussprinzip wie auch nach dem
▪
Blockprinzip verbinden.
Häufig werden, wie schon eingangs erwähnt, bei der Analyse von Texten auch beide
Bearbeitungsstrategien angewendet. Neben der textstrukturierenden
kommt dann auch die
textsukzzessive
Bearbeitungsstrategie zum Zuge. Das hängt nicht zuletzt
vom jeweiligen Untersuchungsinteresse oder der
Aufgabenstellung ab, die für die jeweilige
Analyse oder
Interpretation von Texten vorgegeben sind.

Ein Sachtext könnte also so, wie in der obigen Darstellung zum Ausdruck
gebracht, erst durch den Bearbeiter mit der nebenstehenden Gliederung
strukturiert werden.
-
Bei der
▪
Textinterpretation besitzt zwar die textsukzessive
Bearbeitungsstrategie wegen ihrer Nähe zur
▪
werkimmanenten Methode besonderes Gewicht, in der Praxis aber mindert
dies den Stellenwert einer textstrukturierenden Bearbeitungsstrategie
bei der (schulischen) Textinterpretation kaum.
Denn die
Arbeitsanweisungen für die Textinterpretation in der Schule sind
meistens mehrteilig und beinhalten in der Regel unterschiedliche
Fragestellungen zu bestimmten Untersuchungsaspekten. Diese Aspektorientierung der (schulischen) Textinterpretation kann dabei
auch Probleme schaffen. So kommt es nicht selten vor, dass die Fragen
einfach nacheinander
"abgehakt" werden, ohne dass der Prozess des Textverstehens im
hermeneutischen Sinne mitreflektiert wird. Und nicht selten bleiben dann
auch die
einzelnen Untersuchungsergebnisse ohne die nötige Konsistenz.
-
Bei der ▪
Textanalyse hängt die Wahl der Bearbeitungsstrategie in besonderem
Maße vom zu analysierenden Text, der
Textsorte bzw. der
Textklasse ab, so
dass sich hierbei kaum Empfehlungen für die eine oder andere
Bearbeitungsstrategie geben lassen.
So ist es natürlich ein großer
Unterschied, ob man es mit einer Werbeanzeige zu tun hat, deren Rezeption
ja schließlich keinem linearen Vorgang gleicht oder mit einem
Zeitungskommentar. Und ebenso macht es einen deutlichen Unterschied, ob
man es mit einer
Glosse oder einer
politischen Rede zu tun hat.
-
▪
Texterörterung und
▪
strukturierte Textwiedergabe werden bei der Beschreibung
argumentativer Strukturen eines Textes dagegen wohl nur dann eine
textsukzessive Bearbeitungsstrategie nahe legen, wenn die ▪
argumentative Themenentfaltung überzeugend realisiert ist, die
einzelnen explizit oder implizit vorhandenen Glieder der
▪
Argumentation nachvollzogen werden können.
Andernfalls muss man wohl
eher der ▪ textstrukturierenden Bearbeitungsstrategie folgen, um die hinter der
jeweils realisierten, "unübersichtlichen" thematischen Struktur
eines Textes die "im Wissen rekonstruierbare »logische« Struktur" eines
vorliegenden Textes herauszuarbeiten. (Brinker
2001, S. 63)
Probleme und Schwierigkeiten
Die Probleme und Schwierigkeiten, die eine textstrukturierende
Bearbeitungsstrategie aufwerfen können, hängen natürlich in hohem Maße vom
zu analysierenden Text selbst und der Art und Weise, wie er sein Thema
entfaltet.
Hier gibt es natürlich auch Texte, die assoziative Strukturen
aufweisen, die nicht einfach zu "lesen" sind, oder Texte, die geradezu
verworren erscheinen. Die Schwierigkeit besteht also dann darin, einen
wirklich geeigneten Ansatz zu finden, mit dem sich die "im Wissen
rekonstruierbare »logische« Struktur" (Brinker
2001, S. 63) eines vorliegenden Textes herausfinden und herausarbeiten
lässt.
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
08.10.2019
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