Wikis, so stellen
Erpenbeck/Sauter
(2007, S.249) bei ihrer Bewertung von Wikis fest, sind "ein
hervorragendes Instrument zur Förderung von Kompetenzentwicklung im
Netz." Zu konstatieren
ist hier, was die beiden Autoren ganz allgemein auch für wichtige andere Anwendungen des Social
Web betonen: "Social Software ist Kompetenzlernsoftware."
(Erpenbeck/Sauter
2007, S.131)
Dass Kompetenzbildung sich dabei nicht per definitionem und
quasi wie von selbst einstellt, muss wohl kaum betont werden. Ein modernes
E-Learning bzw. Blended Learning-Konzept, in dem auch Wikis zum
Kompetenzerwerb beitragen muss "echte Entscheidungssituationen bieten,
kognitive Dissonanzen setzen und emotionale Labilisierungen erzeugen" (ebd.)
soll es von Erfolg gekörnt sein. Im Rahmen von Blended-Learning-Veranstaltungen können Wikis ihr didaktisches Potential
bei der Bewältigung von Arbeitsaufgaben dann besonders gut unter Beweis stellen,
wenn diese Aufgaben in
Teamarbeit (Partner- oder Gruppenarbeit) zu bewältigen sind. Zugleich
können mit Wikis auch die Arbeitsprozesse sowie die Arbeitsergebnisse
dokumentiert werden. Alles verlangt dabei selbstorganisiertes Lernen,
allein oder in Gruppen, und trägt damit zur Kompetenzentwicklung bei.
Erpenbeck/Sauter (2007, S.245) nennen 5 Möglichkeiten dafür, Wikis
in Kompetenzentwicklungsprozesse zu integrieren:
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Bei einem
Kurs-Wiki, das natürlich auch Klassenwiki genannt werden kann,
erhalten die Kursteilnehmer-/-innen bzw. die Schülerinnen und Schüler zu
Beginn eines Kurses, Seminars, eines Schuljahres, einer Lehrplaneinheit
in einem Wiki einem Grundstock an Dokumenten und Links zur Verfügung
gestellt. Das Wiki wird dann im Laufe des Lehr-Lernprozesses ausgebaut.
Dabei können auch Beiträge in das Wiki aufgenommen werden, die während
des Kurses entstehen, und gegebenenfalls überarbeitet werden.
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Beim
Tandem-
oder Gruppenlernen bzw. dem Lernen in Partnerarbeit oder im
größeren Team entwickeln die Mitglieder eines Wiki selbständig Lernziele
und legen die Inhalte für ihren Lernprozess fest. In einem Prozess
offenen Lernens werden so Aufgaben diskutiert, ihre Bewältigung
organisiert und bis zum Ende gemeinschaftlich bearbeitet.
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Ein Wiki, das beim
Projektlernen zur Kompetenzentwicklung beitragen soll, dient
vornehmlich dazu, den Projektablauf und -fortgang zu koordinieren und zu
dokumentieren, die Phasierung und Strukturierung des Projekts zu
organisieren und abzubilden und für die Dokumentation von Zwischen- und
Endergebnissen zu sorgen.
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Beim Aufbau und der Pflege sogenannter
Communities of Practice können
Wikis ausgesprochen effiziente Plattformen für den Austausch und die
Dokumentation von Wissen sein, das zu einem umfangreichen Wissenspool
für ein bestimmtes Thema, ein besonderes Fachgebiet o. ä. m. wachsen
kann.
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Als
Gruppen-Lerntagebuch kann ein Wiki die Funktion eines
Gruppenprotokolls übernehmen und durch das gemeinschaftliche Verfassen
und Überarbeiten der Endfassung des Textes zu einer vertieften Reflexion
über die Arbeits- und Lernprozesse und der Gruppenprozesse im
Allgemeinen dienen.
Für den Deutschunterricht eignet sich die Wikiarbeit besonders, "weil
das Schreiben, kritische Analysieren und Überarbeiten ureigenster
Unterrichtsgegenstand dieses Faches ist. Bild-, Audio- und Videodateien
werden im Deutschunterricht ebenso wie im Wiki zur Textillustration und
–ergänzung sowie als Vergleichsgegenstand integriert.“ (Baumann
2007, S.42) Viel wichtiger jedoch als diese eher herkömmliche Betrachtung des
Nutzens der Wikiarbeit für den Deutschunterricht ist die Frage nach der
Kompetenzförderung durch die Arbeit mit Wikis.
Das didaktische Potenzial von Wikis im Deutschunterricht
Das didaktische
Potenzial der Wikis zeigt sich im Deutschunterricht auf verschiedene Art
und Weise. Neben den allgemeinen Vorzügen der Wikiarbeit, wie z.
B. das selbständige Konstruieren, Organisieren und Präsentieren von
Wissen in einer aktiven Auseinandersetzung mit dem jeweiligen
Unterrichtsgegenstand (vgl.
Doebeli
Honegger 2007, S.39), haben verschiedene konstitutive Elemente der
Wikiarbeit im Deutschunterricht besonderes Gewicht. An erster Stelle
steht dabei das Erstellen und Überarbeiten eigener und fremder Texte
in einem öffentlichen oder, wenn das Wiki auf einen bestimmten
Nutzerkreis beschränkt ist, halböffentlichen Bereich. Auch wenn die
Tatsache allein, dass das, was an Text produziert wird, von anderen
eingesehen werden kann, auf die Dauer allein keine motivationalen
Effekte erzielen wird, so ist doch davon auszugehen, dass die
Veröffentlichung ein zusätzlicher Anreiz für das Erbringen von Leistung
ist. Wird die Wikiarbeit dazu noch mit kollaborative und kooperativen
Arbeitstechniken verknüpft, entsteht darüber hinaus Motivation im Team,
sofern sich die Gruppenmitglieder als "Teamplayer" verstehen. Besonders geeignet sind Wikis dann, wenn eine
ergebnisorientierte
Endfassung eines Textes im Rahmen einer bestimmten projektorientierten Wikiarbeit herauskommen soll.
Da es im Rahmen der Wikiarbeit zu einem bestimmten Thema im
Allgemeinen um sachliche Genauigkeit und Richtigkeit ebenso wie um eine
adressatenorientierte Verständlichkeit von Textproduktionen
unterschiedlicher Art geht, kommt der
sprachlichen Gestaltung von
Wikis große Bedeutung zu. Das wiederum prädestiniert es geradezu
als Gegenstand für den Deutschunterricht. So kann ein Wiki nur dann
vernünftig "funktionieren", wenn die äußere Textgestalt verabredet und
damit festgelegt und sprachlich-stilistische Entscheidungen gemeinsam
getragen werden.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.01.2024
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