Das
Lernfeature stellt eine
zunächst einmal eine pädagogische Adaption dessen dar, was bei einem
Medienfeature
in Rundfunk und Fernsehen als mehr oder weniger klarer Standard angesehen
werden kann. Es arrangiert in einer ganz bestimmten Art und Weise
Informationen und Medien miteinander, um Bildungsprozesse in Gang zu
bringen. Es ist Edutainment (= Education und Entertainment) und
Erlebnislernen zugleich, soll aktivieren und weitergehende Lern- bzw.
Bildungsprozesse initiieren. Dabei versteht es sich letzten Ende als eine
unterhaltsame Alternative zur Informationsvermittlung in einem herkömmlichen
(Kurz-)vortrag, dessen emotionslose Sachlichkeit mit assoziativen
Bildern und emotionalen Botschaften überwunden werden kann, ohne dessen
Bedeutung für alle Zeiten, Situationen und Kontexte bestreiten zu wollen.
Das Lernfeature verkörpert eine unterhaltsame Variante des gängigen Vortrags
und versucht, den Grundsatz des "Edutainment"
(der Symbiose von Education und Entertainment) in seiner Konzeption und
Ausgestaltung zu berücksichtigen.
Man hat versucht das Lernfeature auf die folgende plakative
Formel zu bringen:
Wehner (1996, S. 310)
beschreibt die wesentlichen Elemente eines Lernfeatures in Anlehnung an das journalistische
Medienfeature als "eine kreative Medien- und Live-Kombination aus Musik,
Show, Informationsteilen, Interviews, Reportage und O-Tönen, einem Mix aus
Textelementen, Visualisierungen, Sprach- und Sprechanteilen,
Konserveneinblendungen über Video, Cassette oder CD-Player, sowie
pädagogischen Aufgabenstellungen, Aktivierungsphasen und Evaluationsmethoden
wie den Live- oder Optischen Protokoll."
Was ein Feature im Allgemeinen ist bzw. sein soll, wird verschieden
definiert. In einem einschlägigen Fremdwortlexikon wird der Begriff wie
folgt erläutert:
"Fea|ture
[...] das;
-s, -s, auch die; -, -s (aus gleichbed. engl. feature,
eigtl. "Aussehen, charakteristischer Grundzug", dies über
altfr.
faiture aus lat. factura "das Machen, Formen") 1. a) Sendung in
Form eines aus Reportagen, Kommentaren u. Dialogen zusammengesetzten [Dokumentar-]berichtes;
b) zu einem aktuellen Anlass herausgegebener, besonders aufgemachter Text-
od. Bildbeitrag. 2. Hauptfilm einer Filmvorstellung" DUDEN - Das große Fremdwörterbuch, 2., neu bearbeitete und erweiterte
Aufl., Mannheim ...: Dudenverlag 2000)
Als
journalistische Darstellungsform
stellt die Bezeichnung Feature einen Sammelbegriff für alle journalistischen
Formen dar, "die einen an sich undramatischen ("spröden") Stoff durch
Effekte beleben." (Mast
1994, S. 195) Dabei kommen alle journalistischen Stilmittel zum
Einsatz, "um ein Thema möglichst anschaulich, bildhaft und facettenreich zu
vermitteln. Der Feature-Autor will an einem Beispiel das Allgemeingültige
zeigen, den Hintergrund eines Geschehens erläutern. Hauptmerkmal ist "ein
ständiger Wechsel zwischen Schilderung und Schlussfolgerung" (Projektteam
Lokaljournalisten 1990, S. 85). Details dienen dazu, den Blick auf das
Wesentliche zu öffnen." Das Ziel eines der
meinungsbetonten Darstellungsform
Feature besteht darin, bestimmte Wirkungen zu erzielen, weshalb der Autor
auch stets bewertend, reflektierend oder kommentierend mit Bildern,
Tatsachen und Schilderungen der Atmosphäre präsent ist, ohne seine
Kommentare freilich explizit abzugeben. (vgl.
Mast 1994, S. 196) "Features
wollen", so Wehner (1996,
S. 301), "nicht nur informieren, sondern appellieren, aufrütteln. Sie sollen
anregen, warnen, zur Toleranz aufrufen."
Der Feature-Begriff findet sich auch in den Begriffen "Anfietschern"
und "Verfietschern" wieder, die eine
bestimmte Bearbeitungsform von Themen bezeichnen. So bedeutet "Anfietschern",
dass ein Bericht mit Stilelementen des Features aufgelockert werden soll,
und "Verfietschern", dass ein Text als Feature gestaltet werden soll. Beide
Begriffe zielen also eigentlich auf nichts anderes als auf "Umsetzung
abstrakten Nachrichtenstoffes in eine anschauliche, szenische Beschreibung."
(ebd.)
Dabei unterscheidet sich das Feature mit seiner beispielhaften
Veranschaulichung abstrakter Sachverhalte mit den Stilmitteln der Reportage
bei fließenden Übergängen von der journalistischen Darstellungsform der
Reportage, die
Authentisches und Individuelles zur Sprache bringen will. (vgl.
ebd., S. 196f.)
Ursula Voß (1992) hat die
Diskussion um den Featurebegriff auf die kurze und prägnante
Formulierung gebracht: "Der Begriff »Feature« kommt aus dem
Angelsächsischen, aus der Zeitungssprache. Er meint: eine herausgehobene
Nachricht, interessant dargestellt."
Im Ganzen gesehen wird bei der Betrachtung des
(Medien-)feature im Bereich journalistischer Darstellungsformen vor allem
hervorgehoben, dass es seine Inhalte und Gegenstände
-
auf eine kreative Weise
kombiniert
-
mehrdimensional erfasst und
-
in besonders vielfältiger Weise
verpackt bzw. anbietet
(vgl.
Wehner 1996, S. 301)
Aber aller Definitionsversuche zum Trotz darf man unter einem (Medien-)Feature
keine Gattung mit eindeutigen Gattungsmerkmalen verstehen. Denn "sie
sind einmal mehr dokumentarisch, ein andermal mehr fiktional-literarisch
orientiert, oder sie spielen intensiver mit Originalton-Montagen."
(Wehner (1996,
S. 301).
Wenn es also auch keine allgemein gültigen Begriff davon gibt,
was ein Feature ist, so lassen sich doch bestimmte Elemente nennen, die in
Features, insbesondere Radiofeatures,
Verwendung finden. Dabei dienen diese Elemente der Information ebenso wie
der Unterhaltung, verknüpfen beides miteinander und halten damit die
Aufmerksamkeit des Hörers/Betrachters aufrecht. Der ständige Wechsel von
Darbietungsformen ist dabei ein unerlässliches motivationales Mittel zur
Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit. Als Beispiel dafür kann ein ansonsten recht trockener
Interviewbeitrag gelten, der
sich, sofern er nicht "verfietschert" ist, in einem mehr oder weniger
langweiligen Frage-Antwort-Spiel erschöpft. "Verfietschert"
sieht ein solches
Interview schon völlig anders
aus. Da werden Äußerungen und Zitate des Interviewpartners kommentiert,
verfremdet oder auch mal schlicht verändert, mit Musik eingerahmt oder
untemalt, mit Geräuschen versehen und damit auch manchmal verfremdet. Dazu
werden die Zusammenfassungen des Moderators mit Schlagworten, Slogans,
Parolen oder einfach auch irgendwelchen Textversatzstücken "gebrochen" oder
illustriert, wechseln sich Sprecher in rasantem Tempo ab, erklingen mit
hartem Schnitt einmal Männer- und dann wieder Frauenstimmen. Ein solches
Feature ist also, das wird an dieser Stelle schon klar, eine komplexe
Angelegenheit und lässt sich wohl kaum ohne Plan (storyboard, Drehbuch o.
ä.) durchführen, auch wenn damit Spontaneität und Kreativität, wie Wehner (1996,
S. 302) betont, nicht auf der Strecke bleiben sollte.
Der Feature-Stil ist mit dem
Lernfeature in die Pädagogik,
Didaktik und Methodik gelangt. Von Xaver Fiederle (1984) erstmals in die
Pädagogik eingebracht, wurde das Lernfeature-Konzept von ihm und Michael
Wehner ab 1991 weiter entwickelt und als eine Makromethode zur
Informationsvermittlung, insbesondere im Bereich der politischen Bildung,
etabliert, auch wenn die "Feature-Mania" der ersten Jahre mittlerweile
wieder etwas verflogen zu sein scheint. Die gemeinsame Konzeption des
Lernfeatures von Fiederle und Wehner führt jedenfalls weg von einem Lernen,
das nur das Ordnungsgedächtnis bedient. Es fördert das so genannte
Flow-Gedächtnis, indem es u. a.
-
ein höheres Informations- und
Lerntempo realisiert
-
inhaltliche Widersprüche und
Widersprüchlichkeiten produziert
-
Info-Märchen, Irrationalismen
und Mythen in verantwortungsbewusster Weise Raum lässt
-
Simulationen inszeniert und ein
Szenario-Erleben ermöglicht
Das lernende Subjekt wird im Lernfeature als "moderner Infojäger und
Sammler" gesehen, der "durch ein verwirrendes Labyrinth von Informationen
nicht über-, sondern herausgefordert" wird. (vgl.
ebd.,S. 305) Das Lernfeature
verwischt dabei bewusst die Grenzen zwischen medialem und nichtmedialem
Sektor und lässt mit der ihm eigenen offenen Sprunghaftigkeit eines
didaktisierten Medienensembles "mosaikartige, jeweils neu mix- und
komputierbare Infobausätze, individuelle Lehr- und Lernstil-Pakete"
entstehen. (vgl.
ebd, S. 306) Dabei werden die
Featurekonzepte ganz im Gegensatz zu bewahrpädagogischen Bestrebungen stets
mit Blick und auf dem Hintergrund an der modernen Pop(ulär)kultur,
insbesondere der US-amerikanischen, entwickelt, die über alle Schichen und
Altersgruppen hinweg Akzeptanz und Sympathie genießt. Und doch ist diese
Orientierung an der modernen Populärkultur kein Selbstzweck, denn "
Featurekonzepte wollen nicht die Realität der Medienwelt in den
Bildungsveranstaltungen widerspiegeln, sondern sie als Ausgangspunkt
ichbezogener Lernprozesse für didaktische Intentionen instrumentalisieren."
(ebd,
S. 307, Hervorh. d. Verf.)
Das Lernfeature ist mit seiner Verbindung von
Information und Unterhaltung Edutainment, ohne darin aufzugehen. Die ihr
zugrunde liegende didaktische Vorstellung ist die einer "Abholdidaktik",
verstanden als eine Art "pädagogischer Aufholtechnik [...] um alltagsmedial
vermittelte Kenntnisse und Fertigkeiten pädagogisch aufzubereiten." (ebd,
S. 313 )
Mögen Kritiker ihm auch gerne Oberflächlichkeit und mangelnden
Tiefgang nachsagen, so zielt das Lernfeature mit seinem Mix von Information
und Unterhaltung darauf ab, Inhalte zum Leben zu erwecken,
Lernbedeutsamkeiten und Lernchancen zu erhöhen. In der Regel übernimmt es
"Zubringer-Funktionen" für das Lernen, setzt in einem kreativen Akt
interessante neue Impulse für eine weitergehende Beschäftigung mit den
jeweils thematisierten Gegenständen. Daher sind auch "reflexive und sich von
der rein emotionalen Betroffenheit distanzierende Informations- und
Gesprächsphasen unabdingbare Elemente eines didaktischen Features". (ebd,
S. 311 )
Es stellt sich dabei in bewusst in den Dienst des Kompetenzerwerbs.
Nach dem Motto "Mehr Impulse, weniger Direktiven" (Fiederle) gewährt das
Featurekonzept dem Lernenden bei der Aneignung von Informationen eine
größere Wahlfreiheit, die ihn letztendlich aber auch stärker zum wirklichen
Subjekt seines Lernens werden lässt. Dabei ist es für Lernfeature bis zu
einem gewissen Grad auch unerheblich, ob seine Inhalte logisch, bis ins
letzte Detail korrekt und einer fachwissenschaftlichen Analyse standhalten
können. Vielmehr misst sich die Güte eines Featuredesigns daran, ob es
Assoziationen fördert, Motivation für die Auseinandersetzung mit seinen
Inhalten schafft und ob und inwieweit es der schnell aufkommenden Langeweile
mit schnellen Reizwechseln entgegenwirken kann. So zählt gerade die das
videoclipartige Tempo neben seinen offenen, aber stets fächerübergreifenden
Fragestellungen zu den Strukturprinzipien eines Lernfeatures.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.01.2024
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