Die Visualisierung von Texten ist eine komplexe Aufgabe
Die ▪ Visualisierung von Texten ist eine
komplexe Aufgabe und sollte im Vergleich zu "normalen" Schreibaufgaben nicht
unterschätzt werden.
Sie kann als eigenständige Schreibaufgabe gestellt sein oder Teil eines
umfangreicheren Schreibprozesses z. B. bei der ▪
Textwiedergabe, ▪
Textanalyse
oder ▪
Textinterpretation sein.
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So entlastet sie
z. B. den Schreibprozess
bei der Zusammenfassung von Inhalt oder Aufbau von Texten von einer
zusammenhängenden sprachlichen
Fließtext-Darstellung,
wie sie bei anderen Formen der Zusammenfassung von Texten (Abstract,
Inhaltsangabe,
strukturierte Textwiedergabe etc.) eingefordert werden.
-
Auf der
anderen Seite müssen Aussagen über den Inhalt, den Aufbau und sonstige
Strukturen des Textes in ein komplexes Zeichensystem von Wörtern und
Begriffen, grafischen und typografischen Elementen, die selbst wieder
Bedeutung tragen, "übersetzt" werden.
-
Wenn
z. B. komplexe ▪ Ursache-Wirkungszusammenhänge,
die in einem
Sachtext zur Sprache kommen,
visualisiert werden sollen, müssen diese eben nicht nur erkannt, sondern
auch mit geeigneten Mitteln in einem Strukturbild gestaltet werden (s.
Beispiel).
- Bei den ▪ besonderen Formen
der Textvisualisierung wie z.B. der ▪
Argumentations- oder ▪
Interpretationsskizze sind
grundlegende textanalytische Kompetenzen und literarische
Interpretationskompetenzen vonnöten, um die Schreibaufgabe
bewältigen zu können.
Visualisierungsaufgaben als knowledge transforming
Grundsätzlich ist es daher auch unter didaktischen Aspekten falsch
anzunehmen, dass die Schreibaufgabe "Visualisieren Sie den Text in Form
eines Strukturbildes" etwa leichter zu bewältigen ist, als die vergleichbare
Zusammenfassung im Fließtext.
-
Einfaches "knowledge
telling" über den Text, funktioniert dabei nämlich nicht.
-
Stattdessen
ist "knowledge
transforming", und dies unter besonderen Vorzeichen, gefordert, wenn in
der Regel um die Erfassung des Inhalts und von Strukturen des Textes geht.
Dann kann, je nach Text wohlgemerkt, das Anforderungsniveau sogar
beträchtlich höher liegen als bei einer herkömmlichen, referierenden
Inhaltsangabe.
Von den Problemen sprachlicher Ökonomie ganz zu schweigen,
die bei der überaus hohen Verdichtung von Informationen in einem
Strukturbild entstehen.
So wird man auch im
Allgemeinen die Schreibaufgabe nur mit einer
Schreibstrategie
bewältigen können, die den Schreibprozess in unterschiedliche Phasen
zerlegt.
Bei der Visualisierung von Texten kommen viele Kompetenzen
ins Spiel
Dies alles erklärt auch, dass Schülerinnen und Schüler, wenn sie nicht über
entsprechende Kompetenzen verfügen, sich bei der Visualisierung
von Texten, der Erzeugung eines
diskontinuierlichen
Textes aus den Strukturen (Textoberflächen-
u. Texttiefenstrukturen)
eines kontinuierlichen
Textes oft ziemlich schwer tun.
Sie spüren
offenbar genau heraus, dass ihnen dabei eine sehr anspruchsvolle Arbeit
abverlangt wird, die Schwächen in den unterschiedlichen Kompetenzbereichen
offenlegen kann.
Dabei ist dies wiederum, ▪ schreibdidaktisch
betrachtet, nichts Außergewöhnliches, wissen wir doch, dass der
▪
Schreibprozess
ein sehr komplexer Vorgang ist.
So ist also auch die Bewältigung solcher Schreibaufgabe ein komplexer Vorgang, bei dem
verschiedene Kompetenzen ins Spiel kommen. Man muss z. B.
-
lesekompetent sein, um Texte mit einem unterschiedlichem
Anspruchsniveau erfassen und verstehen zu können.
- sprachkompetent sein, um den Aussagen des Textes ggf. in
geeignete eigene Formulierungen transformieren zu können
- ▪ Schreibkompetenz
zeigen, um den Gestaltungs-/Schreibauftrag in einem
mehrstufigen
Verfahren organisieren zu können
- Methodenkompetenz besitzen, um die unterschiedlichen Aufgaben
während des Arbeitsprozesses zur Erstellung eines Strukturbildes mit
geeigneten Arbeitsmethoden bewältigen zu können
- ▪ Bildkompetenz
haben, um textliche und grafische Informationen, aufeinander abgestimmt
und adressatenorientiert, in ein Strukturbild umsetzen zu können.
- Sozialkompetenz, um den Gestaltungs-/Schreibauftrag ggf. in
einem
teilweise kooperativen Schreibprozess bewältigen zu können
Probleme und Schwierigkeiten bei der Bewältigung der
Schreibaufgabe
Die Schwierigkeiten und Probleme, die bei der
Textvisualisierung auftreten, können wie bei anderen
Schreibaufgaben auch vielfältige Ursachen haben und können
sich an unterschiedlichen Stellen im Schreibprozess zeigen.
Sie können dabei auch von der allgemeinen
▪
Schreibkompetenz
abhängen (▪
Zielsetzungskompetenz,
▪
inhaltliche
Kompetenz, ▪
Strukturierungskompetenz,
▪Formulierungskompetenz)
oder auf unterschiedliche
▪
Schreibstörungen
oder Schreibblockaden zurückzuführen sein.
Nur unter Berücksichtigung dieser
Faktoren ist eine differenzierte Sicht auf den Lerner und seinen
Lernprozess möglich.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.01.2024
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